"Frankfurter Anthologie" Seit dem 15. Juni 1974 erscheint jeden Samstag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ein deutsches Gedicht und eine kleine Interpretation dazu. Herausgegeben und redigiert hat diese "Frankfurter Anthologie" Marcel Reich-Ranicki, der sie einst ins Leben rief, bis zu seinem Tod. Die Gedichte und Interpretationen wurden vom Insel Verlag nach ihrer Veröffentlichung in der Zeitung fortlaufend auch in Buchform publiziert. Im Jahr 2007 erschien der 30. Band, 2010 der 33. Band, der letzte im Insel Verlag. Die folgenden Bände sind bei S. Fischer erschienen. Nach dem Tod von Reich-Ranicki wurde die Frankfurter Anthologie mit einem zum Teil anderen Konzept zunächst (ab Februar 2014) von Rachel Salamander, seit 2015 von Hubert Spiegel fortgeführt. Einen Überblick zu den teilweise vergriffenen Buch-Veröffentlichungen von Beiträgen zu der Anthologie gibt eine Sonderseite unseres Reich-Ranicki-Portals. Seit 2013 werden die Beiträge zur Frankfurter Anthologie auch online auf einer Sonderseite von FAZ.net veröffentlicht, mit Lesungen der interpretierten Gedichte. Entstehung und Konzept Gedichte und Interpreten Resonanzen Beispiele Bücher Entstehung und Konzept 1973 wurde Marcel
Reich-Ranicki von
Joachim Fest, dem
für das Feuilleton
verantwortlichen
Mitherausgeber der
F.A.Z., zum Leiter
des Ressorts "Literatur
und literarisches
Leben" berufen.
Den Einfluss des
damals bedeutendsten
Literaturteils deutscher
Zeitungen wusste
Reich-Ranicki geschickt
zu nutzen. Eines
seiner Anliegen war
es, die deutsche
Lyrik zu fördern,
"und zwar nicht ein-
oder zweimal, sondern
ständig". Die F.A.Z.
bot einen geeigneten
Rahmen, Gedichte
einer breiten Öffentlichkeit
zugänglich zu machen.
Literaturkritische
Rezensionen von Lyrik
haben nach Reich-Ranickis
Einschätzung
in der Regel den
fatalen Fehler, langweilig
zu sein. Außerdem
sind ihre Möglichkeiten,
Textbeispiele anzuführen,
sehr begrenzt. Als
Alternative oder
Ergänzung dazu
war die "Frankfurter
Anthologie"
gedacht: Jede Woche
würde ein einzelnes
Gedicht abgedruckt
und von einem Interpreten
kommentiert werden.
Das Gedicht musste
nicht einem neu erschienenen
Lyrik-Band entstammen,
sondern konnte aus
jeder Epoche deutschsprachiger
Lyrik entnommen werden.
Die Interpretation
dazu sollte nicht
im Stil philologischer
Abhandlungen geschrieben
sein, sondern in
essayistischer Form
dem breiten Publikum
einen anregenden
Zugang zum Gedicht
vermitteln. Namhafte
Kritiker, Literaturwissenschaftler
oder Schriftsteller
sollten einen möglichst
persönlichen Blick
auf das Gedicht werfen
und ihre Sicht des
Textes verständlich
formulieren. Ansonsten
machte Reich-Ranicki
den Interpreten nur
eine Auflage: Der
Umfang sowohl des
Gedichtes als auch
der Interpretation
dürfen ein bestimmtes,
vom Platz auf der
Zeitungsseite vorgegebenes
Maß nicht überschreiten.
Das Gedicht darf
nicht mehr als dreißig
Verse, der Kommentar
nicht mehr als sechzig
Manuskriptzeilen
umfassen. Am 15.
Juni 1974 erschien
in der F.A.Z. mit
Goethes "Um Mitternacht"
das erste Gedicht
dieser Anthologie.
Interpret war Benno
von Wiese, einer
der damals prominentesten
Literaturwissenschaftler.
Reich-Ranicki stellte
das Unternehmen vor
- unter dem Titel
"Der
Dichtung eine Gasse". Entstehung und Konzept Gedichte und Interpreten Resonanzen Beispiele Bücher Die Gedichte und die Interpreten Bevor ein Gedicht in die "Frankfurter Anthologie" aufgenommen wird, muss es von einem Interpreten vorgeschlagen und dieser Vorschlag mit wenigen Sätzen begründet werden. Das Gedicht muss bereits veröffentlicht worden sein und soll möglichst aus einem im Buchhandel erhältlichen Gedichtband stammen. Bis heute sind Gedichte von über 350 Autoren erschienen. Goethe, Heine und Brecht gehören zu den am häufigsten ausgewählten Lyrikern. Die Anthologie wurde jedoch auch zu einem Forum zeitgenössischer Dichtung und noch junger, zum Teil wenig bekannter Autoren. Bei der Auswahl der Interpreten setzte Reich-Ranicki auf Prominenz, Kompetenz und Schreibfähigkeit. Zu den Mitarbeitern gehören vor allem Literaturkritiker, Schriftsteller, Journalisten und auch Literaturwissenschaftler, sofern sie dazu bereit und fähig sind, die akademische Diktion zu vermeiden. Im Freiraum der "Frankfurter Anthologie" erschienen in der F.A.Z. Beiträge auch solcher Autoren, die, zuweilen aus politischen Gründen, sonst nicht für diese Zeitung schreiben wollten oder durften. Zu den Autoren, die für die "Frankfurter Anthologie" immer wieder Interpretationen geschrieben haben, gehörten Erich Fried, Peter Härtling, Robert Gernhardt, Wolfgang Koeppen, Golo Mann, Ulla Hahn, Hans Magnus Enzensberger oder Siegfried Lenz. Ab 1998 verlieh die F.A.Z. an Interpreten, deren Beiträge für die "Frankfurter Anthologie" besonders hoch geschätzt wurden und die sich auch sonst um die Vermittlung von Lyrik verdient gemacht hatten, über zehn Jahre lang jährlich einen Preis. Zu den Preisträgern gehören Peter von Matt, Ruth Klüger, Wolfgang Werth, Wulf Segebrecht (Mitarbeiter auch von literaturkritik.de, dessen Rede zur Preisverleihung hier nachzulesen ist), Harald Hartung, Walter Hinck, Hans Christoph Buch, Ludwig Harig, Hans-Ulrich Treichel, Eva Demski, Ulrich Weinzierl und Günter Kunert. Entstehung und Konzept Gedichte und Interpreten Resonanzen Beispiele Bücher Resonanzen In der Redaktion der F.A.Z. selbst prognostizierten manche dem Projekt
kein langes Leben. Dass viele Zeitungsleser sich über die Auswahl der
Gedichte beschwerten, wertete Reich-Ranicki als positives Signal: Denn
die "Frankfurter Anthologie" hatte nicht zuletzt den Effekt,
die öffentliche Diskussion über Lyrik zu stimulieren. Entstehung und Konzept Gedichte und Interpreten Resonanzen Beispiele Bücher Beispiele Mitarbeiter von literaturkritik.de, die für die "Frankfurter Anthologie" Gedichte ausgewählt und Interpretationen dazu geschrieben haben, stellen hier je ein Beispiel zur Verfügung: Thomas
Anz zu Robert Gernhardt:
Noch einmal: Mein
Körper Entstehung und Konzept Gedichte und Interpreten Resonanzen Beispiele Bücher Bücher Der erste Band der "Frankfurter Anthologie" erschien 1976 im Insel Verlag und enthält 60 Beiträge, die zwischen Juni 1974 und September 1975 in der F.A.Z. erschienen sind. Im Jahr 2007 erschien der 30. Band, 2010 der 33. Band. Im April 2011 erschien die "Frankfurter Anthologie" mit Band 34 erstmals im S. Fischer Verlag. Die "Frankfurter Anthologie" ist also mittlerweile zu einer kleinen Bibliothek avanciert. Dass es durchaus ein stattliches Publikum für ein solches Publikationsunternehmen gibt, beweisen die Auflagenzahlen. Einige Bände sind in mehreren Auflagen erschienen, etliche sind zur Zeit vergriffen (Übersicht hier). In jedem Band sind die Gedichte nach dem Geburtsjahr des Dichters geordnet, finden sich Quellenhinweise, Kurzbiographien der Interpreten und ein Verzeichnis aller in der Anthologie bisher erschienenen Gedichte und ihrer Interpreten. Im Jahr 2002 erschienen aus der "Frankfurter Anthologie" in einer zwölf Bände umfassenden Buchkassette: 1400 deutsche Gedichte
und ihre Interpretationen.
Hg. von Marcel Reich-Ranicki.
Frankfurt am Main:
Seit einigen Jahren werden aus dem immer größeren Fundus an Gedichten und Interpretationen neue Bücher 'gemacht': Frauen
dichten anders.
Sonderausgabe.181
Gedichte mit Interpretationen.
Hg. von Marcel Reich-Ranicki.
Frankfurt am Main:
Insel 2002. Brecht.
Der Mond über Soho.
66 Gedichte mit Interpretationen.
Hg. von Marcel Reich-Ranicki.
Frankfurt am Main: Ich
hab im Traum geweinet.
44 Gedichte mit Interpretationen
von Heinrich Heine.
Hg. von Marcel Reich-Ranicki.
Frankfurt am Main:
Insel 2001. 212 Seiten,
€ 9,50 Rainer
Maria Rilke: Und
ist ein Fest geworden.
33 Gedichte mit Interpretationen.
Hg. von Marcel Reich-Ranicki.
Frankfurt am Main:
Insel 2000. 154 Seiten,
€ 7,50 Hundert
Gedichte des Jahrhunderts.
Hg. von Marcel Reich-Ranicki.
Frankfurt am Main:
Insel 2000. Verweile
doch. 111 Gedichte
mit Interpretationen
von Johann Wolfgang
von Goethe. Hg. von
Marcel Reich-Ranicki.
Frankfurt am Main:
Insel 1999. 511 Seiten, € 20,80. Dieser Band erschien 2008 in einer erweiterten Fassung mit neuem Titel: Johann Wolfgang Goethe: Herrlich wie am ersten Tag. 125 Gedichte und ihre Interpretationen. Hg. von
Marcel Reich-Ranicki.
Frankfurt am Main:
Insel 2008. 568 Seiten, € 16,00. Johann
Wolfgang von Goethe:
Alle Freuden die
unendlichen.
Liebesgedichte und
Interpretationen.
Hg. von Marcel Reich-Ranicki.
Frankfurt am Main:
Insel 1987. 184 Seiten,
€ 11,80 Über
die Liebe. Gedichte und Interpretationen aus der Frankfurter Anthologie.
Hg. von Marcel Reich-Ranicki. Frankfurt am Main: Insel 1985. 346 Seiten,
€ 9,50 Mitarbeit bei erster Präsentation der Seite: Franziska Flachsbarth, Moni Münch Zuletzt aktualisiert: 27.12.2018 |
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