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Scherenschnitt von Simone Frieling/ © T. Anz

Literaturkritik

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> Marcel Reich-Ranickis Zehn Gebote für Literaturkritiker

Zur Einführung: Eine Kritiker-Karriere

Vor etwa 220 Jahren veröffentlichte der 24-jährige Goethe das Gedicht über jenen unverschämten Kerl, der sich bei seinem Gastgeber erst satt isst und hinterher bei dessen Nachbarn an dem Essen herummäkelt. Die Wut über den undankbaren Schmarotzer gipfelt in den Ausrufen: "Der tausend Sackerment!/ Schlagt ihn tot, den Hund! Er ist ein Rezensent."

Marcel Reich-Ranicki lebte damals leider noch nicht, doch vor einiger Zeit hat er Goethe endlich geantwortet, hat zu dem Gedicht mit dem Titel "Rezensent" gleichsam eine späte Rezension geschrieben. Und obwohl Reich-Ranicki immer wieder beteuerte, schon seit Jahren nicht mehr "lauter Verrisse" zu schreiben, gerieten ihm seine Ausführungen zu dem Goethe-Gedicht in der "Frankfurter Anthologie" zum Totalverriss: "Er [Goethe]", so Reich-Ranicki, "genießt den Ruf, Deutschlands größter Lyriker zu sein. Das stimmt schon, wenn es um die Poesie geht, kann ihm keiner das Wasser reichen. Aber natürlich hat auch er, der unverbesserliche Vielschreiber, zahlreiche mäßige und schwache Gedichte produziert, gelegentlich sogar törichte. Doch das dümmste, das seiner Feder entstammt, ist wohl das Gedicht 'Rezensent'." Hinter der demonstrativen Respektlosigkeit dieser Zeilen gegenüber einem Autor, den Reich-Ranicki so hoch schätzte wie wohl keinen anderen, steht ein sein literaturkritisches Selbstbewusstsein in mehrfacher Hinsicht kennzeichnendes Programm, das zum Erfolg dieses Kritikers wesentlich mit beigetragen hat.

Dass Reich-Ranicki hierzulande der erfolgreichste, der wirkungsvollste und deshalb auch umstrittenste, dass er mithin der bedeutendste Literaturkritiker der Nachkriegszeit war, steht außer Zweifel. Mehr als er konnte ein Kritiker wohl nicht erreichen. Wie niemand sonst hat er seit über dreißig Jahren unser literarisches Leben mit geprägt - genauer: seit 1958, als er in die Bundesrepublik reiste und nicht mehr nach Polen zurückkehrte.

Siegfried Lenz tat damals alles, um ihm Kontakte mit Rundfunksendern und Zeitungen zu verschaffen. Kritiken in der "Welt" und in der F.A.Z. sowie die Teilnahme an Tagungen der "Gruppe 47" machten ihn rasch so bekannt und begehrt, dass ihn am 1. Januar 1960 "Die Zeit" als ständigen Literaturkritiker einstellte. Frei von redaktionellen Belastungen schrieb er vierzehn Jahre lang für "Die Zeit" und wurde in ihr schnell zu der literaturkritischen Instanz der Bundesrepublik. Mit Polemik, Ironie und Neid, mit Bewunderung und Respekt ernannte man ihn in diesen Jahren zum "Großkritiker" und zum "Literatur-Papst", doch seine Fähigkeiten, den Willen zur öffentlichen Wirksamkeit und seine Macht ganz entfalten konnte er erst, als er 1973 die Leitung des Literaturteils der "Frankfurter Allgemeinen" übernahm. Er machte sie zur buch- und literaturfreundlichsten Zeitung Deutschlands. Er machte sie aber auch zur Krönung seiner Kritikerkarriere.

So schien es zumindest. Als Reich-Ranicki Ende 1988, weil es die Gesetze der F.A.Z. so vorschrieben, die Leitung des Literaturteils an einen Jüngeren abgeben musste, glaubten manche, eine Ära der Literaturkritik sei zu Ende, ein Generationswechsel vollzogen; es finde gleichsam ein Artensterben statt, denn der Typus des Großkritikers, den Reich-Ranicki wie Friedrich Sieburg, Günter Blöcker, Fritz J. Raddatz oder Joachim Kaiser, nur viel vollkommener als alle diese, verkörperte, sei vom Aussterben bedroht. Nachdem die Kommentare zu Reich-Ranickis Abgang schon den Ton von Nachrufen eingestimmt hatten, belehrte der sie schnell eines Besseren. Abgesehen davon, dass er in der F.A.Z. Herausgeber und Redakteur der von ihm 1974 ins Leben gerufenen "Frankfurter Anthologie" blieb und weiterhin literaturkritische Beiträge in dieser Zeitung veröffentlichte, hatte sich das Spektrum seiner Wirkungsmöglichkeiten nur noch erweitert. Im "Spiegel" und auch wieder in der "Zeit" konnte man ihn gelegentlich lesen, vor allem aber konnte man ihn hören und sehen - in seinem "Literarischen Quartett".

Das Fernsehen, diese gewiss in vieler Hinsicht fragwürdige, doch zweifellos wirksamste Animationsmaschinerie in Sachen Literatur, hatte Reich-Ranicki gerade noch gefehlt. Mit ihm schaffte er es, seine Popularitätskurve noch einmal kräftig steigen zu lassen. Reich-Ranicki wurde mehr denn je zuvor, wie Joachim Kaiser einmal geschrieben hat, der meistgelesene, meistgefürchtete, meistbeachtete, darum vielleicht auch meistgehasste Kritiker im literarischen Leben der Bundesrepublik. Seine Wirkung reichte bis in die Hoffnungs- und Alpträume berühmter Autoren hinein. Seine Kritiken waren gespannt erwartete Ereignisse. Seine Rezensionen und Essays, zunächst im flüchtigen Medium der Zeitung erschienen, hatten sich zu einem dauerhaften literaturkritischen Werk angesammelt, das in über zwanzig selbständigen Buchpublikationen vorlag, erschienen meist in mehreren überarbeiteten Auflagen oder auch als Taschenbücher weit verbreitet. Die Spannbreite all dieser Publikationen ist enorm: Sie umfasst auch zahlreiche Autoren russischer, französischer und vor allem englischer Sprache, und sie basiert auf umfassenden und fundierten literarhistorischen Kenntnissen der Literatur seit Shakespeare.

Reich-Ranicki war und ist auch noch nach seinem Tod im September 2013 populär, er ist Gesprächsthema, wo immer heute über Literatur geredet wird. Er wird imitiert und parodiert, ist Gegenstand zahlreicher Anekdoten, und als mehr oder weniger verschlüsselte Figur in Romane, Dramen oder Gedichte eingegangen. Woher dieser beispiellose und kontinuierlich steigende Erfolg, diese konkurrenzlose Dominanz dieses Mannes?

Einer der Gründe für diesen Erfolg war die oft provozierende, für Überraschungseffekte allemal gute Respektlosigkeit im kritischen Umgang mit anerkannten Autoritäten. Die eingangs zitierte Polemik gegen Goethes Gedicht ist dafür nur ein Beispiel. In seinem Buch "Der doppelte Boden", einer Art Summe seiner literarischen Erfahrungen und literaturkritischen Ansichten, geäußert in einem langen, spannenden, höchst anregenden und lehrreichen Gespräch mit dem Zürcher Literaturwissenschaftler und Kritiker Peter von Matt, nennt er die Klassikerverehrung eine "Spezialität des deutschen Untertanen-Staates" und bewundert die Engländer, die nie vor der Frage zurückscheuten: "How good is Hamlet?" In Reich-Ranickis Übersetzung: "Was taugt eigentlich der Shakespeare?" Shakespeare sei dadurch lebendig geblieben. "Durch das Anzweifeln wird die Literatur am Leben erhalten, zumindest in vielen Fällen."

Reich-Ranicki lehrte der Literaturkritik statt einer knienden Haltung den aufrechten Gang. In allen Publikationen ist er ein "Kritiker" im emphatischen Sinn des Wortes: ein engagierter Verteidiger der Kritik gegenüber allen, denen diese genuin aufklärerische Tätigkeit suspekt ist. Auch darin ist seine Reaktion auf Goethes Gedicht typisch. Dass die nationalsozialistische Kulturpolitik 1936 unter dem Vorwand, das schöpferische Genie vor den Zersetzungen der Kritik zu schützen, ein offizielles Verbot der Kunstkritik erließ und sie durch die "Kunstbetrachtung" ersetzte, war für Reich-Ranicki das abschreckendste Beispiel in einer langen und bis heute andauernden Tradition der Kritikfeindlichkeit, gegen die er unermüdlich anschrieb.

In der Tradition der Aufklärung, der Lessings zumal, verteidigte er die entschiedene Wertung, die Provokation eingespielter Vorurteile. Die polemische Hinterfragung anerkannter Autoritäten machte auch vor Lessing nicht Halt. Dem sagte er zu dessen 200. Todestag nach, er habe "in seinem ganzen Leben zu den Dramen Shakespeares keinen einzigen bemerkenswerten Satz geschrieben [...] und immer nur leere Phrasen." Gleichwohl charakterisierte Reich-Ranicki in anderen Passagen dieses Artikels mit Lessing auch sich selbst: "Lessings große Leidenschaft hieß Polemik. [...] er liebte den Widerspruch, die Diskussion, den Streit." Lessings Rechtfertigung der Polemik als einer Möglichkeit, die Auseinandersetzung mit Literatur zu dynamisieren, steht Reich-Ranickis Selbstverständnis zweifellos nahe. Wer ihn liest, hört oder sieht, merkt: Er will Recht haben. Zugleich aber suchte er den Widerspruch. Wer ihn genauer kennt, weiß, dass ihm der päpstliche Anspruch auf Unfehlbarkeit fremd war. Sein Verständnis von Literaturkritik schließt das Risiko des Fehlurteils programmatisch mit ein. Der gute Kritiker, so betonte er wiederholt, zeichnet sich durch den Mut zur Entscheidung aus. "Wer 'ja' oder 'nein' sagt, der riskiert natürlich einen großen Irrtum. Den schwachen, den schlechten Kritikern, die stets 'Jein' sagen, kann schlimmstenfalls ein halber Irrtum unterlaufen. Die bedeutenden Kritiker erkennt man gerade an ihren Irrtümern, weil sie in ihrem Urteil irrend gleichwohl ihre Objekte glänzend zu charakterisieren vermochten."

In der Tradition der Aufklärung steht auch Reich-Ranickis permanentes Insistieren auf ein Maximum an literaturkritischer Klarheit und Verständlichkeit, das sich als Dienst für ein breites, literaturinteressiertes Publikum begreift. Er selbst sah darin einen der entscheidenden Gründe für seinen Erfolg. Mit den Maßstäben seiner literaturkritischen Urteile - er hat natürlich welche, auch wenn er das gerne bestritt - maß er auch die Qualitäten der Kritik: Literatur und Kritik sollen es dem Leser nicht unnötig schwer machen, sie zu verstehen. Reich-Ranickis hartnäckiges Bemühen, die besonders in Deutschland breite Kluft zwischen anspruchsvoller Literatur und dem literaturinteressierten Publikum zu verkleinern, wenn nicht sogar zu schließen, hat ihn keineswegs daran gehindert, auch schwierige Autoren hoch zu schätzen und öffentlich zu preisen: Wolfgang Koeppen, Thomas Bernhard oder Hermann Burger. Aber wenn schon gute Literatur oft schwierig ist, dann hat die Kritik umso mehr die Aufgabe, "zwischen der Kunst und dem Publikum, zwischen der Literatur und ihren Lesern zu vermitteln".

Es sind diese Vermittlungswünsche und -fähigkeiten, die maßgeblich zu Reich-Ranickis öffentlicher Resonanz beigetragen haben. Diese Fähigkeiten erstreckten sich auch auf das vielfach gespannte Verhältnis zwischen akademischer Literaturwissenschaft und journalistischer Kritik. Seine eigenen Publikationen bauen hier Brücken, und er hat als F.A.Z.-Redakteur vielen Literaturwissenschaftlern Gelegenheit gegeben, ihrerseits die Kluft zwischen ihrem Fach und der literarischen Öffentlichkeit zu verringern.

Reich-Ranickis Verrisse und Lobreden beziehen ihre mitreißende Energie aus einer geradezu obsessiven Leidenschaft für Literatur. Noch der heftigsten Kritik ist bei Reich-Ranicki die Enttäuschung eines Liebhabers eingeschrieben, der nicht gefunden hat, was er leidenschaftlich suchte. Wem Literatur so viel bedeutet, der meint es ernst, wenn er über sie spricht. Wer Reich-Ranicki jedoch immer ganz ernst nimmt, muss ihn verfehlen. Am Ende seines Literarischen Quartetts pflegte er zu sagen: "Alle Fragen offen." Kennzeichnender für ihn und seine Sendung ist indes wohl, was er davor sagte: "Vorhang zu." Denn was da zu Ende ist, war also ein Schauspiel, nicht selten eine Komödie. Und die Hauptrolle in ihr spielte ein glänzender Komödiant. Alle seine Auftritte und auch seine Rezensionen hatten etwas von dem Charakter einer Inszenierung. Peter von Matt machte in dem Gespräch mit Reich-Ranicki die vielleicht etwas verblüffende Bemerkung, er habe bei der Lektüre der Rezensionssammlung "Lauter Verrisse" viel gelacht. Es sind unter anderem die Stilmittel der überspitzten Formulierung und der maßlosen Übertreibung, die diese Komik gewollt hervorbringen. Hierin gleicht Reich-Ranicki einem anderen großen Komödianten und Übertreibungskünstler, den er nicht zufällig außerordentlich schätzte: Thomas Bernhard. Reich-Ranickis Witz entspricht dem, was Literaturkritik seiner Auffassung nach auch zu leisten hat: den Leser zu vergnügen.

T.A.


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Kritiker in der "Gruppe 47"

Im Herbst 1958 wurde Reich-Ranicki von Hans-Werner Richter zur Jahrestagung der „Gruppe 47“ in Großholzleute im Allgäu eingeladen. Als Richter im folgenden Jahr die Einladung wiederholte, sah Reich-Ranicki sich von der Gruppe akzeptiert und in sie integriert. „Kaum mehr als ein Jahr wieder in Deutschland ansässig, war ich nach wie vor einsam, aber immerhin wußte ich schon, wo ich hingehörte. Ich glaubte eine Art Zuflucht gefunden zu haben.“ ("Mein Leben") Die Erinnerungen Hans-Werner Richters vermitteln ein etwas anderes Bild: „Ich lud ihn wieder ein und immer wieder, doch er blieb irgendwie ein Außenseiter, einer der dazu gehörte und doch nicht ganz dazu gehörte. Ich kann nicht erklären, warum das so war oder warum ich es so empfunden habe.“ Antisemitische Ressentiments hat Reich-Ranicki in der Gruppe nicht wahrgenommen. Richters Verhältnis zu Juden nennt er allerdings „befangen und verkrampft“.

Bald gehörte Reich-Ranicki neben Walter Höllerer, Walter Jens, Joachim Kaiser und Hans Mayer zur Runde der berüchtigten Spontankritiker in der Gruppe. Die Auseinandersetzung mit Autoren aus dem Umkreis der Gruppe stand im Zentrum auch seiner literaturkritischen Publikationen. Die Zugehörigkeit zur Gruppe 47 erhöhte das Gewicht, dass Reich-Ranicki als Literaturkritiker im literarischen Leben der Bundesrepublik erhielt.


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Bei der F.A.Z.

Die fünfzehn Jahre währende Zeit als „Literaturchef“ der „Frankfurter Allgemeinen“ war, so bekannte Reich-Ranicki einmal, die schönste seines Lebens. „Ich konnte machen, was ich wollte, ich war da, wo ich hinwollte.“ Er verdankte sie Joachim Fest. Ihn hatte er 1966 kennen gelernt und sich mit ihm befreundet. Die sehr unterschiedlich gearteten Persönlichkeiten hatten bei allen Gegensätzen, die sie aneinander banden, vor allem eines gemeinsam: Beide bewunderten Thomas Mann.

Joachim Fest war damals im Norddeutschen Rundfunk für das Fernsehmagazin „Panorama“ verantwortlich. Anfang der siebziger Jahre schrieb er an seiner bedeutenden Hitler-Biographie. Noch vor ihrem Erscheinen erhielt er das Angebot, Mitherausgeber der „Frankfurter Allgemeinen“ zu werden und den Kulturteil dieser Zeitung zu betreuen. Fest seinerseits bot dem Freund an, die Leitung der Literaturredaktion zu übernehmen. Reich-Ranicki stimmte zu, und erfüllt wurde sein Wunsch, das Kulturressort in zwei Bereiche mit gleichberechtigten Chefs aufzuteilen. Das allgemeine Feuilleton leitete Günter Rühle, die Bereiche Literatur und literarisches Leben er selbst. Karl Heinz Bohrer, der für die Literaturkritik bis dahin zuständige Redakteur, wurde von redaktionellen Verpflichtungen freigestellt und bald als Korrespondent nach London versetzt. Gegen etliche Widerstände war es Joachim Fest gelungen, dieses Arrangement bei der Zeitung durchzusetzen.

Für Reich-Ranicki erfüllte sich ein Lebenstraum: „Rund fünfzehn Jahre nach meiner Rückkehr hatte ich endlich einen Posten im literarischen Leben Deutschlands und vielleicht den wichtigsten.“ Gegenüber seinem Vorgänger Bohrer profilierte sich der neue Literaturchef, der von der Redaktion nicht eben freundlich empfangen wurde, durch einen literaturkritischen und redaktionellen Stil, der betont publikumsfreundlich war. Der einst von Friedrich Sieburg geleitete Literaturteil hatte, so Reich-Ranickis Einschätzung, „längst seine Qualität eingebüßt“. Er war „mit dem Rücken zum Publikum redigiert“ worden. „Was ich schon vorher gewußt hatte, bestätigte mir die Lektüre der übrigens nicht zahlreichen Manuskripte, die mein Vorgänger mir hinterlassen hatte: Die meisten waren umständlich und langatmig geschrieben, sie stammten zu großen Teilen von Rezensenten, denen allem Anschein nach nicht das mindeste daran gelegen war, von den Lesern verstanden zu werden.“

Mit dem Literaturchef wechselten die Mitarbeiter. Ihnen verlangte Reich-Ranicki eine Fähigkeit ab, die ihm wichtiger war als intellektuelle Brillanz: das Vermögen, gut zu schreiben. Mit einigem Erfolg bemühte er sich, renommierte Schriftsteller als Rezensenten zu gewinnen. Ihr individueller Stil sollte den Literaturteil farbiger und lebendiger machen. Gegenüber Schriftstellern, die sich gelegentlich als Literaturkritiker betätigten, hat Reich-Ranicki zwar einige Vorbehalte. Er hielt ihnen wiederholt ihre Befangenheit gegenüber Kollegen und Konkurrenten vor und ihre Anfälligkeit, sich zu Gefälligkeitsbesprechungen hinreißen zu lassen. Aber er nahm diese Schwächen in Kauf und versuchte, sie in Grenzen zu halten.

Probleme anderer Art bereiteten ihm professionelle Literaturwissenschaftler. „Ihre Arbeiten, voll von Fremdwörtern und Fachausdrücken, deren Notwendigkeit in der Regel nicht einleuchtete, waren für die meisten Leser unverständlich. Überdies hatten ihre Manuskripte bisweilen einen penetranten, einen abstoßenden Geruch, den Kreidegeruch der Seminarräume. Diskrete und geduldige Erziehungsarbeit war also nötig.“ Reich-Ranicki hat sie geleistet. Er hat eine Vielzahl von Hochschulgermanisten, auf deren Fachkompetenz er nicht verzichten wollte, zu Kritikern mit journalistischen Fähigkeiten herangebildet. Die Autobiografie blickt mit einigem Stolz auf das Ergebnis zurück: „Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Überwindung der traditionellen, der unseligen Kluft zwischen der deutschen Universitätsgermanistik und der Literaturkritik, vornehmlich der Kritik in der Presse, zum Wichtigsten gehört, was mir in den fünfzehn Jahren in der ‚Frankfurter Allgemeinen' gelungen ist.“ Etlichen Literaturwissenschaftlern verhalf die regelmäßige Mitarbeit in der FAZ zu einem Renommee, das sie zuvor nicht hatten.

Reich-Ranicki, der sich bislang als Literaturkritiker nur schreibend profiliert hatte, nahm den neuen Beruf des Redaktionsleiters sehr ernst. Einer seiner ehemaligen Mitarbeiter, Volker Hage, beschrieb die Tätigkeit seines Vorgesetzten aus eigener Anschauung so: „Mit ungeheuerem Elan beugte er sich während der fünfzehn Jahre im Amt des FAZ-Literaturleiters über fremde Manuskripte, bestellte Texte, schmeichelte und bedrängte, telefonierte und diktierte. Er war mit Inbrunst Redakteur, er scheuchte Sekretärinnen (‚Monika, wo bleiben Sie?‘) und junge Redakteure herum, brillierte und nervte auf Konferenzen, setzte Mitarbeiter unter Termin- und Qualitätsdruck – Musterfall eines väterlich-autoritären Zirkusdirektors, der die Temperamente zusammenholte, einige wieder verstieß und abstieß, andere lockte und überredete, in einem Blatt zu schreiben, das ihrer politischen Couleur gewiß nicht entsprach.“ Dieser Redaktionsleiter kümmerte sich buchstäblich um alles selbst. Nahezu jeden Satz, der in dieser Zeitung unter seiner redaktionellen Verantwortlichkeit erschien, hatte er vorher geprüft. Alles, was seine Mitarbeiter redigierten, wurde von ihm noch einmal durchgesehen. Die Formulierungen mussten verständlich und durften nicht zu umständlich sein. Der genialisch-chaotische Habitus seines auch akademisch ambitionierten Vorgängers, der später an der Universität Bielefeld eine Professur erhielt, war ihm fremd.

In der Redaktion gab es keinen Bereich, den Reich-Ranicki seinen jungen Mitarbeitern, von denen einige inzwischen leitende Positionen in einflussreichen Literaturredaktionen besetzen, ganz hätte überlassen mögen. Über die Vergabe der zu rezensierenden Bücher entschied letztlich er, nicht zuletzt in dem hartnäckigen Bemühen, Gefälligkeitsrezensionen zu verhindern. Das Layout der Zeitungsseiten, auf denen Artikel aus seinem Ressort erschienen, entwarf er zwar nicht selbst, ließ sich jedoch regelmäßig Entwürfe dazu vorlegen und entschied sich für den, der ihm am meisten zusagte. Sogar Leserbriefe beantwortete er oft persönlich. Und selbstverständlich auch die Anfragen von Mitarbeitern.

TA

Zur politischen Position Reich-Ranickis in der FAZ und zu weiteren Aspekten seiner Arbeit dort siehe Thomas Anz: Marcel Reich-Ranicki. München: dtv 2004 (dtv portrait)., S. 83-99.

 


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Ingeborg-Bachmann-Preis

Von 1977 bis 1986 war Reich-Ranicki Sprecher der Jury des Klagenfurter Wettbewerbs um den Ingeborg-Bachmann-Preis. Der Preise wurde nach einem Modell vergeben, das maßgeblich von ihm selbst konzipiert und in die Praxis umgesetzt wurde. Es erlangte eine enorme Publizität und machte als Vorbild für andere Preisvergaben Schule: das Modell des Klagenfurter Wettbewerbs um den Ingeborg-Bachmann-Preis. Der Wettbewerb wurde 1977 ins Leben gerufen und existiert, wenn auch unter anderem Namen und mit veränderten Modalitäten, noch heute. Zehn Jahre lang, bis 1986, war Reich-Ranicki Sprecher der Jury und machte den Bachmann-Preis zu einem der wichtigsten und meist beachteten Literaturpreise nach 1945. Die dem öffentlichen Wettbewerb zugrunde gelegten Spielregeln waren angeregt von den Ritualen der Kritik in der „Gruppe 47“, mit denen vormals Ingeborg Bachmann selbst konfrontiert war. Der Lesung eines Autors folgten die spontanen Werturteile der Kritiker, auf die der Autor nicht reagieren durfte. Nur transparenter, demokratischer und öffentlicher sollten die Modalitäten der Preisvergabe sein. Aus dem bis in die Details des Abstimmungsverfahrens hinein ausgeklügelten Konzept erwuchs eine Veranstaltung, die Klagenfurt in der letzten Juni-Woche eines jeden Jahres zur Hauptstadt der deutschsprachigen Literatur machte. Inszeniert in einem Raum, so groß wie ein kleines Theater, wurde, mit Reich-Ranicki in der Hauptrolle, der Öffentlichkeit vorgespielt, wie das literarische Leben funktioniert. Hier saßen sich die Akteure und Instanzen des Literaturbetriebes, Schriftsteller, Kritiker, Verleger, Lektoren, Medienberichterstatter und ganz normale Leser Auge in Auge gegenüber, hier liefen innerhalb weniger Stunden und Tage kommunikative Prozesse ab, die sich sonst über Monate oder Jahre hinziehen. Der Bachmann-Preis avancierte rasch zur medienwirksamsten Show der deutschsprachigen Literatur und Klagenfurt zum Umschlagplatz des Literaturmarktes.


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Kritiker im Hörfunk und im Fernsehen

Für den Rundfunk hatte Reich-Ranicki schon in Polen gearbeitet. Für den Rundfunk arbeitete er nach 1958 auch in der Bundesrepublik, allerdings nur aus einem Grund: Hier wurden erheblich höhere Honorare gezahlt, und auf diese war er dringend angewiesen. Die Arbeit für dieses Medium hat Reich-Ranicki jedoch stets abgewertet. Dass die literaturkritischen Texte hier nur gehört und nicht gründlich gelesen werden, verleite dazu, weniger sorgfältig zu schreiben. Jedenfalls hätten seine eigenen gedruckten Aufsätze ein deutlich höheres Niveau als die Funktexte.

Wie später das Fernsehen erwies sich der Hörfunk allerdings in solchen Sendeformen als ein auf Reich-Ranickis Qualitäten zugeschnittenes Medium, in denen es die Lebendigkeit improvisierter Mündlichkeit zur Geltung brachte.

Das literarische Kaffeehaus (1964-1967)

Relativ rasch, gut ein Jahr nach seiner Übersiedlung nach Deutschland (1958) begann sich die kritische Stimme Marcel Reich-Ranickis im literarischen Deutschland zu etablieren. Seine ständige Mitarbeiterschaft bei der "Zeit", die Teilnahme als berüchtigter Spontankritiker bei den Treffen der "Gruppe 47" sowie erste deutschsprachige Buchprojekte hatten ihn bekannt gemacht. So bekam er 1964 das Angebot, zusammen mit dem Literaturwissenschaftler Hans Mayer die Rundfunk-Sendung "Das literarische Kaffeehaus" zu moderieren. In der Regel wurde die Sendung live aus dem bereits bei Gottfried Benn in seiner gleichnamigen Erzählung zu literarischen Ehren gekommenen "Weinhaus Wolf" in Hannover übertragen und lief über mehrere Sender. Einige Folgen wurden sogar für das Fernsehen produziert. Zu den durchweg prominenten Gästen des "Literarischen Kaffeehauses" zählten unter anderem Theodor W. Adorno, Ernst Bloch, Heinrich Böll, Friedrich Dürrenmatt, Max Frisch, Günter Grass und Martin Walser. Man sprach mit jeweils einem Gast ausführlich über Literatur und Kultur, aber auch über tagesaktuelle Themen. Die damals recht populäre Sendung lief bis 1967. Bereits das "Kaffeehaus" endete mit jenem Zitat aus Brechts "Der gute Mensch von Sezuan", das auch zum markanten Schlusswort des "Literarischen Quartetts" werden sollte: "Und wieder sehen wir betroffen, den Vorhang zu und alle Fragen offen."

Das literarische Quartett (1988-2001)

"Im Falle Reich-Ranickis war das Fernsehen als Eitelkeitsmaschine seines Daseins Glück und Unglück. Es hat den Kritiker Reich-Ranicki zugleich unerhört popularisiert und beschädigt. Er ist heute prominenter als die meisten Autoren und Bücher, über die er sich äußert." So schreibt Sigrid Löffler nach ihrem spektakulären Ausstieg aus dem "Literarischen Quartett" in ihrer neu gegründeten Zeitschrift Literaturen (Heft 1/2002). Abgesehen davon, dass Löffler durch ihre 12-jährige Tätigkeit für das "Literarische Quartett" selbst stark popularisiert und möglicherweise beschädigt wurde, beleuchtet dieses Zitat doch die Ambivalenz der Fernsehkarriere des Großkritikers. Die von Reich-Ranicki selbst am wenigsten geleugnete Vereinfachung und Verknappung der Buchbesprechungen für das Bildmedium Fernsehen hat seine Kritiker in ihrem ablehnenden Urteil nur bestärkt, andererseits hat die fernsehkonforme Literaturvermittlung die Popularität Reich-Ranickis ins Unermessliche gesteigert und auch den Verlagen der behandelten Bücher zu beachtlichen Verkaufszahlen verholfen.

Am 25. März 1988 wurde die erste Folge des "Literarischen Quartetts" im ZDF ausgestrahlt, eine Sendung, in der ausschließlich über Bücher gesprochen wurde. "Wozu können eigentlich solche Gespräche dienlich sein? Literatur ist zum - man verzeihe das harte Wort - Lesen da", stellte Joachim Kaiser in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 28.3.1988 anlässlich dieser ungewöhnlichen Fernsehpremiere missbilligend fest. Trotz der zunächst negativen Resonanz bei Reich-Ranickis Kritikerkollegen etablierte sich die Literatursendung schnell zu einer der wichtigsten, weil einflussreichsten Institutionen des literarischen Lebens. Neben Hellmuth Karasek und Sigrid Löffler waren anfangs noch Jürgen Busche und nach dessen baldigem Ausscheiden Klara Obermüller als ständige Mitglieder des "Quartetts" tätig. Seit 1990, nach Obermüllers Weggang, nahmen dann wechselnde Gäste, meist Kritiker oder Verleger, ferner Schriftsteller auf dem vierten Sessel Platz. In 75 Minuten wurden von vier Kritikern fünf Bücher ohne Spickzettel und weitgehend auch ohne Zitate besprochen. Damit blieben im Schnitt weniger als vier Minuten Redezeit pro Kritiker und Buch, was naturgemäß den Vorwurf der unangemessenen Oberflächlichkeit provozierte. "Kurz und gut: Gibt es im 'Quartett' ordentliche Analysen literarischer Werke? Nein, niemals. Wird hier vereinfacht? Unentwegt. Ist das Ergebnis oberflächlich? Es ist sogar sehr oberflächlich." So weit Marcel Reich-Ranickis illusionslose Replik auf derartige Vorwürfe. (Mein Leben, S. 538)

Beim Publikum kam die Sendung wegen ihrer lebhaften und teils deftigen Streitgespräche, die natürlich von der autoritären Figur Reich-Ranickis dominiert wurden, sehr gut an. Obwohl durch das puristische Konzept und das aufeinander eingespielte Personal der Eindruck der Spontaneität erweckt wurde, lebte das "Literarische Quartett" in zunehmendem Maße von einer recht stereotypen Rollenverteilung der Diskutanten, deren literarische Beurteilungskriterien sich vorwiegend auf inhaltlichen Realismus beschränkten. Die Zuschauer wussten und erwarteten, dass Reich-Ranicki bei bestimmten Themen schulmeisterlich den Zeigefinger zum finalen Verdikt erheben, theatralisch die Hände über dem Kopf zusammenschlagen oder mit leidender Miene die Beiträge seiner Partner zur Kenntnis nehmen würde. Nicht umsonst wurde Reich-Ranicki - ausgerechnet ein Literaturkritiker und kein Politiker oder Popstar - zum meistparodierten Prominenten jener Zeit.

Im Sommer 2000 kam es schließlich zu einer folgenreichen Krise des "Literarischen Quartetts". In der Sendung vom 30. Juli entzündete sich während der Diskussion um den erotischen Roman "Gefährliche Geliebte" von Haruki Murakami ein deftiger Streit. Sigrid Löffler zeigte sich vom "hirnerweichenden Vögeln" der Romanfigur Murakamis derart irritiert, dass sie das Buch als "literarisches Fastfood" abqualifizierte und ihm erbost die "rote Karte" zeigte. Für Marcel Reich-Ranicki und Hellmuth Karasek war Löfflers Ablehnung indes einmal mehr Indiz dafür, dass ihre Kollegin erotische Literatur grundsätzlich ablehne. Damit stand der Vorwurf der Frigidität implizit im Raum und Löffler war hiervon sichtlich betroffen. Nachdem der Streit noch außerhalb der Sendung weitergeführt und insbesondere von der Klatschpresse dankbar aufgenommen wurde, sah sich Sigrid Löffler gezwungen, das "Quartett" zu verlassen. Nach dem Zerwürfnis nahm Iris Radisch, Literaturredakteurin bei der "Zeit", Löfflers Platz ein, jedoch nur für kurze Zeit: Nach 13 Jahren und 77 Sendungen, 385 besprochenen Büchern endete mit der Sendung vom 14. Dezember 2001 die Ära des "Literarischen Quartetts". Knapp 900 000 Zuschauer haben die Sendung im Durchschnitt verfolgt - angesichts der späten Sendezeit, des nicht gerade fernseh-typischen Themas und des in den letzten Jahren ungünstigen Sendeplatzes (freitags) ein unerhörter Erfolg.

Reich-Ranicki Solo (2002)

Am 5. Februar 2002 meldete sich Reich-Ranicki nach kurzer Bildschirmabstinenz mit seiner Sendung "Reich-Ranicki Solo" im ZDF zurück. Wie der Titel verrät, präsentierte sich der Kritiker hier völlig ohne Unterstützung, solo eben. Eine gute halbe Stunde Sende- und damit Redezeit, die weder durch Filmbeiträge noch durch Gäste oder sonstige Intermezzi unterbrochen und nur von einer Person geleitet wird - eine völlig singuläre Erscheinung im deutschen Fernsehen. War es im "Literarischen Quartett" Beethovens Quartett op. 59, Nr. 3, das als Erkennungsmelodie diente, so wurde auch diese Sendung von einem klassischen Musikstück eingeleitet - Robert Schumanns Papillons, op. 2 - Davidsbündlertänze, op. 6 Carnaval, op. 9 - und von einem ebenso klassischen Zitat beendet: "Jedoch, jedoch! Es irrt der Mensch solang er strebt" (Goethe, Faust 1, Prolog im Himmel).

"Solo" war weniger eine literarkritische, vielmehr eine kultur- und medienkritische Sendung, in der sich Reich-Ranicki eine halbe Stunde lang auf Feuilletonartikel bezog, Schriftsteller würdigte, Bücher rezensierte und auch die Bereiche Film, Theater und Musik streifte. Reich-Ranickis "Polemische Anmerkungen", wie die Sendung im Untertitel hieß, waren in thematischer Hinsicht also recht vielgestaltig. Als Bezugsrahmen diente dem Kritiker alles, was sich unter dem Begriff "kulturelles Leben" subsumieren lässt. Die Sendung war wie eine Lesung oder Vorlesung inszeniert und wurde an einem Stück aufgezeichnet. Damit und durch das anwesende Publikum wurd ein Live-Charakter erzielt, der dem des "Literarischen Quartetts" recht ähnlich war. Auf einer Bühne thronte Reich-Ranicki hinter einem Schreibtisch, auf dem sich lediglich ein paar Konzeptpapiere, Bücher und - ganz wichtig - eine Uhr befanden. Reich-Ranicki dozierte und polemisierte frei, nur gelegentliche Blicke auf Notizen und Uhr strukturtieren die Sendung spontan.

Reich-Ranickis "Solo"-Periode sollte allerdings nicht lange währen. Am 3. Dezember 2002 wurde sie nach neun Sendungen eingestellt, in Einvernehmen mit dem Sender ZDF, wie verlautbarte. Mit einem durchschnittlichen Marktanteil von vier Prozent war diese kulturkritische Sendung durchaus erfolgreich. "Alle vier Wochen fünf aktuelle Themen haben, über die zu reden lohnt, ist gar nicht leicht in einer Epoche, wo das literarische Leben nicht so fabelhaft ist", beschrieb Reich-Ranicki die Schwierigkeiten der Sendung. Als weiteren Grund für seinen Ausstieg führte der Kritiker die zahlreichen anderen Verpflichtungen und Projekte an, die den nunmehr 82-Jährigen hinreichend beschäftigten. Für die Zukunft sei jedoch bereits eine neue Sendung mit Marcel Reich-Ranicki geplant.

Torsten Gellner

(siehe auch "Literarisches Quartett" und "Solo")


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Über Kritik

Ein Kennnzeichen der Professionalität des Literaturkritikers Reich-Ranicki war es, dass er seine literaturkritische Praxis stets begleitete mit Reflexionen über die Geschichte und gegenwärtige Situation der Literaturkritik.

Drei Publikationen sind hier besonders hervorzuheben: der einleitende Essay in "Lauter Verrisse" (zuerst 1970), der 2002 unter dem Titel "Über Literaturkritik" als eigenständiges Buch erschien, das lange Gespräch mit Peter von Matt ("Der doppelte Boden") und das 1994 erschienene Buch „Die Anwälte der Literatur“. Es enthält dreiundzwanzig Portraits bedeutender deutscher Literaturkritiker vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart.

Der Plan zu diesem Buch reichte bis in das Jahr 1970 zurück. Es ist mit seiner langen Entstehungszeit ein extremes, wenn auch typisches Beispiel für Reich-Ranickis Arbeitsweise. Fast alle seine Bücher sind Sammlungen von Reden und Artikeln, die zunächst in Zeitungen erschienen, doch bereits im Hinblick auf ein Buchprojekt geschrieben wurden. Vieles von dem, was Reich-Ranicki an Rezensionen und Essays für Zeitungen verfasst hatte, war in seiner Themenauswahl auf zukünftige Bücher hin konzipiert und nicht nur für den Tag geschrieben. Etliche dieser Bücher waren ein „work in progress“. Sie sind in mehreren Auflagen erschienen, die ständig um neue Artikel erweitert wurden. Das gilt für seine Bücher „Über Ruhestörer“, über Martin Walser oder Günter Grass und für viele andere. „Ich werde“, so erklärte Reich-Ranicki 1986, „bis ans Ende meines Lebens kein literaturkritisches Buch von der ersten bis zur letzten Zeile schreiben, sondern immer wieder einzelne Essays, Aufsätze, Kritiken, aus denen dann Bücher entstehen. Ich mache das deshalb so, weil ich überzeugt bin, daß die Form der Kritik die kleine Form ist.“

Das Buch „Die Anwälte der Literatur“ gehört zu seinen wichtigsten und besten. Die Essays sind ein Panorama der Geschichte deutscher Literaturkritik am Beispiel ihrer bedeutenden Repräsentanten. Doch nicht bloß historische, sondern vor allem aktuelle Interessen prägen den Blick auf sie. „Wir müssen die Kritiker der Vergangenheit studieren, denn wir können zweierlei von ihnen lernen: wie mans machen kann und wie mans nicht machen sollte. Aus den Fehlern der Kritiker von gestern lässt sich, glaube ich, sehr viel lernen.“ In der Distanz und Identifikation mit Kritikern der Vergangenheit und Gegenwart sind Reich-Ranickis Portraits daher immer auch Bestandteile eines Selbstportraits. Schon der Titel des Buches verweist auf die Rolle, die Reich-Ranicki nicht nur anderen Literaturkritikern, sondern auch sich selbst zuschrieb: die Rolle eines Anwaltes.

Rollen und Aufgaben des Kritikers

Als im 18. Jahrhundert die Literaturkritik zu einer Institution wurde, bezeichnete man den „Criticus“ häufig als einen „Kunstrichter“. Auch Lessing verwendete dieses Wort, doch glich die Rolle, die er dem Kritiker zuwies, eher der eines Anwaltes. Während der Richter auf der Grundlage vorliegender Gesetze ein Urteil spricht, steht es dem Anwalt nur zu, für ein bestimmtes Urteil zu votieren. In Lessings literaturkritischem Selbstverständnis ist die höchstrichterliche Urteilsinstanz das Publikum, dem der Kritiker wie ein Anwalt bestimmte Urteile empfiehlt und dafür Gründe anführt. „Wenn ich mir aber nun das Publikum als Richter denke?“ fragt Lessing im einundfünfzigsten seiner „Briefe, antiquarischen Inhalts“. Der Kritiker tritt nach Lessing nicht mit dem dogmatischen Anspruch auf, im Besitz der Wahrheit zu sein, sondern trägt in Konkurrenz mit seinen Kollegen und mit anderen Instanzen des literarischen Lebens zur Wahrheits- und Urteilsfindung bei.

So wie die Rolle des Richters hat Reich-Ranicki auch das ihm mehr oder weniger ironisch zugeschriebene Etikett des „Literaturpapstes“ zurückgewiesen. Päpstliche Ansprüche auf Unfehlbarkeit seien ihm fremd.

In einem Rundfunkbeitrag von 1963, der „Selbstkritik des ‚Blechtrommel'-Kritikers“, hat Reich-Ranicki die juristische Metaphorik zur Veranschaulichung der Kritikerrolle genauer erläutert: „Zwei Seelen wohnen also in des Kritikers Brust, in zwei Rollen tritt er gleichzeitig auf: als Rechtsanwalt und als Staatsanwalt.“ Zum einen agiert der Kritiker in der Rolle des Verteidigers. „Mein Autor ist mein Mandant, mein Klient, mein Schützling. Ich habe ihm zu dienen, seine Sache zu vertreten.“ Doch der Verteidiger muss zugleich ein Ankläger sein. „Ich muß jede Seite des neuen Werks mißtrauisch lesen, ich muß es hartnäckig anzweifeln. Ich habe alles Schwache, Fragwürdige und Schlechte im Gegenstand der Betrachtung zu suchen.“ Eine Kritik ist die Summe beider Plädoyers. „Die Urteile hingegen werden, meine ich, nicht von uns, den Kritikern, gefällt, sondern später einmal von den hohen Richtern, den Literarhistorikern.“

Die Rolle des Anwaltes war indes gewiss nicht die einzige, die der Kritiker spielte. Es gibt eine Vielzahl von sozialen Rollen, mit denen die des Kritikers verglichen wurden und mit denen auch Reich-Ranicki seine Tätigkeit verglichen hat: mit der eines Lehrers und Erziehers, eines Dieners, eines Liebhabers, eines Arztes, eines Türhüters oder sogar eines Müllmanns.

TA

Mehr dazu in Thomas Anz: Marcel Reich-Ranicki. München: dtv 2004 (dtv portrait). Dort in dem Kapitel "Kritik als Beruf", S. 106-149.

 


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Kritische Praxis

Reich-Ranicki hat in seinen Schriften eine Art Tugendkatalog für Literaturkritiker entworfen , mit dem er seine eigene literaturkritische Praxis zu beschreiben und zu rechtfertigen versuchte. Der Mut zur Entschiedenheit und Negation, die Fähigkeit, sich im Grenzbereich von Journalismus und Literaturwissenschaft verständlich zu machen, die Rücksichtslosigkeit gegenüber Autoren und Verlagen sowie die Leidenschaft für Literatur wurden ihm sogar von seinen Kritikern bescheinigt.

Als Markenzeichen für den von Reich-Ranicki praktizierten Rezensionsstil gilt der „Verriss“. Dazu hat seine Auswahl negativer Kritiken beigetragen, die seit 1970 in mehreren Auflagen unter dem Titel „Lauter Verrisse“ erschien. Die Resonanz dieses Buches und sein Verkaufserfolg stellten jenes andere Buch, das als positive Entsprechung zu ihm gelten kann, weit in den Schatten: „Lauter Lobreden“. Die vielen enthusiastischen Kritiken, die er ebenfalls schrieb, konnten nicht verhindern, dass er als ein Mann literarischer Hinrichtungen gilt.

Reich-Ranickis Verrisse folgen der Devise, die im 18. Jahrhundert schon Lessing ausgegeben hatte: „Einen elenden Dichter tadelt man gar nicht; mit einem mittelmäßigen verfährt man gelinde; gegen einen großen ist man unerbittlich.“ Wenn Reich-Ranicki über junge und noch weitgehend unbekannte Schriftsteller schrieb, hatten seine Artikel in der Regel einen lobenden Tenor. Und die negative Besprechung von Büchern, die er eigentlich nicht für kritikwürdig hielt, rechtfertigte er mit dem Rang des Autors. Nur weil die Erzählung „Die linkshändige Frau“ von dem „beliebten und auch in mancherlei Hinsicht repräsentativen Nachwuchsdichter Peter Handke stammt, müssen wir auf dieses erstaunlich harmlose Prosastück [...] etwas näher eingehen.“ Ähnlich argumentiert er gleich zu Beginn seines Verrisses von Martin Walsers Roman „Jenseits der Liebe“: „Lohnt es sich darüber zu schreiben? Ja, aber bloß deshalb, weil der Roman von Martin Walser stammt“.

Im Zentrum der meisten literaturkritischen Artikel, die Reich-Ranicki geschrieben hat, steht ein einzelnes Buch, doch zu den Ansprüchen seiner Rezensionen gehört es, über mehr als dieses Buch zu reflektieren: über die Qualitäten und Entwicklungen des ganzen Oeuvres eines Autors oder auch über Problemkomplexe, deren Bedeutung über die eines einzelnen Schriftstellers hinaus reicht. Kritik, so erklärte er, „bezieht sich immer auf einen konkreten Gegenstand – und nie auf diesen Gegenstand allein. Indem der Kritiker ein Buch charakterisiert, indem er es befürwortet oder zurückweist, spricht er sich nicht nur für oder gegen einen Autor aus, sondern zugleich für oder gegen eine Schreibweise und Attitüde, eine Richtung oder Tendenz, eine Literatur. Er sieht also das Buch, das er behandelt, immer in einem bestimmten Zusammenhang. Er wertet es als Symptom.“ Und hinter jeder Kritik verberge sich „ein Bekenntnis, dem sich mehr oder weniger genau entnehmen läßt, welche Art Literatur der Kritiker anstrebt und welche er verhindern möchte.“

TA


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Kriterien der Kritik

Jede Debatte über Literaturkritik ist immer auch eine über deren „Maßstäbe“ oder „Kriterien“. Und stets steht der Vorwurf im Raum, die Literaturkritik versäume es, über ihre Maßstäbe Auskunft zu geben oder sie zu reflektieren. Sie urteile daher mit unkontrollierter Willkür. Solchen Vorwürfen oder auch denen, die ihm falsche Maßstäbe vorhielten, begegnete Reich-Ranicki mit Bekenntnissen zu einer Kritik, die auf allgemein verbindliche Normen verzichten muss und sich lediglich der Konfrontation einer individuellen Person mit einem Buch verdankt. „Ein Kritiker mit einer Meßlatte – das ist ein Unglück, eine Katastrophe.“ Keinem Kritiker unserer Zeit lasse sich nachsagen, dass er auf eine bestimmte Ästhetik eingeschworen sei und über konstante Normen verfüge. „Um die Schulen und Richtungen, Tendenzen und Strömungen kümmerte er sich wenig, die Theorien waren ihm offenbar gleichgültig, wenn nicht suspekt.“ Diesen Satz schrieb Reich-Ranicki über Alfred Polgar – und implizit wiederum über sich selbst. Ähnliche Feststellungen finden sich in etlichen anderen Kritikerportraits des Bandes „Anwälte der Literatur“, etwa in dem über Alfred Kerr. Dieser „lehnte alle Dogmen und Doktrinen ab“.

Da es kein Gesetzbuch gibt, auf das sich ein Kritiker berufen kann, erklärte Reich-Ranicki, muss jeder seine Kriterien „aus dem zur Debatte stehenden Gegenstand ableiten“ und kann die literarischen Werke ansonsten „nur durch die Konfrontation mit der eigenen Person messen.“ Das bedeutet in der Praxis: „Ich reagiere mit meiner ganzen Person auf ein neues Buch, das heißt, mit Bildung und Erfahrung, mit meinen Erlebnissen und meinen Vorlieben, meinen Schwächen, Tugenden und Untugenden.“

Ganz so frei von Maßstäben überindividueller Geltung, wie es nicht nur Reich-Ranicki von seiner Arbeit behauptete, ist die literaturkritische Praxis jedoch nicht. In der Regel lassen sich Maßstäbe aus jedem Werturteil problemlos ablesen. Und jedes Werturteil erhebt in der Regel den Anspruch, dass es, wenn auch nicht von allen, so doch von vielen anderen Leserinnen und Lesern nachvollzogen und geteilt werden kann.

Mehr dazu bei Thomas Anz: Marcel Reich-Ranicki. München: dtv 2004 (dtv portrait).

Weit problematischer als die Maßstäbe sind an literaturkritischen Wertungen in der Regel deren Anwendungen auf bestimmte Texte. Umstritten ist nicht, dass ein Werk Klischees und Effekte der Ermüdung vermeiden sollte, sondern ob es Klischees enthält und ermüdend wirkt. Vor allem in der Anwendung von Maßstäben auf konkrete Fälle ist die Kritik durchlässig für individuelle Vorlieben.

Reich-Ranickis Vorstellungen zur Funktion von Literatur hatten sich im Laufe der Jahrzehnte erheblich gewandelt. Im ersten Jahrzehnt seiner literaturkritischen Tätigkeit in der Bundesrepublik bekannte er sich zu einer „engagierten Literatur“, wie sie damals von den linksliberalen und sozialistischen Intellektuellen unter den deutschsprachigen Schriftstellern, zum Teil in Anlehnung an Jean-Paul Sartres Begriff einer „Littérature engagée“, vielfach gefordert wurde: „Ich bin Anhänger einer engagierten Literatur. Ich glaube, daß Schriftsteller sich nicht damit begnügen dürfen, das Leben mit reizvollen Arabesken zu schmücken und allerlei Ornamente beizusteuern. Ich glaube, daß es ihre Hauptaufgabe ist, bewußt in einer bestimmten Richtung zu wirken, also auf ihre Zeitgenossen Einfluß auszuüben. Daher suche ich in der Literatur, zumal in der erzählenden Prosa, vor allem die Auseinandersetzung mit den großen moralischen Fragen der Gegenwart.“ Wer von der Literatur erwarte, dass sie sich engagiert, müsse dies ebenfalls vom Kritiker fordern: „Auch den Kritiker verpflichtet die Auseinandersetzung mit den zentralen moralischen, philosophischen und ideologischen Problemen unserer Zeit.“ Ein „Preisnachlaß für die künstlerische Leistung“ dürfe dem engagierten Schriftsteller freilich nicht gewährt werden.

Nicht zuletzt die kunstfeindlichen Tendenzen in den Jahren der Studentenbewegung haben Reich-Ranickis Forderungen nach engagierter Literatur später gebremst. „Gegen die linken Eiferer“ heißt ein 1973 erschienener Artikel über Heinrich Bölls Nobelpreis-Rede. Ein „Klima militanter und düsterer Kunstfeindschaft“ habe dazu geführt, „daß wir, die wir immer schon für das Engagement in der Dichtung waren und die wir die Gesellschaftskritik in der Literatur für etwas Selbstverständliches hielten, das Wort ‚Gesellschaftskritik' nicht mehr verwenden können“. In einer größeren Rückschau auf die Literatur der siebziger Jahre sympathisiert er, im Blick vor allem auf autobiografische Werke von Max Frisch, Wolfgang Koeppen und Thomas Bernhard, mit einer Literatur, die sich durch ihren „zeitkritischen Psychologismus“ auszeichne. „Die psychologische Analyse dient in diesen Romanen, Erzählungen und Autobiografien der Auseinandersetzung mit der Welt, in der wir leben. Introspektion und Zeitkritik bedingen und beglaubigen sich gegenseitig, das intime Papier ist zugleich [...] das öffentlich kritische.“ Seit den achtziger Jahren findet sich das Wort „kritisch“ als Auszeichnung von Literatur in seinen Rezensionen kaum noch. Der Literatur wies Reich-Ranicki nun vor allem zwei Funktionen zu, die auch seine Autobiografie immer wieder hervorhebt. Im Werk Max Frischs finden wir, so erklärt er, „was wir alle in der Literatur suchen: unsere Leiden. Oder auch: uns selber.“

Eine andere Funktion der Kunst betonte er jedoch noch weit stärker: uns Freude, Vergnügen und Glück zu verschaffen. Die Ambitionen „engagierter“ Literatur und Kunst verfielen zunehmend dem Verdikt des Illusionären. Bei aller Verehrung für den großen Geigenspieler Menuhin hielt Reich-Ranicki in seiner Autobiografie dessen Versuche, die Violine zu einer Waffe gegen das Unrecht auf dieser Erde zu machen, für eine Illusion. In „Mein Leben“ berief er sich auf eine Antwort Thomas Manns zu der Frage nach dem eigentlichen Ziel seiner Arbeit: „Ich sage einfach: Freude.“ Die Hoffnung, man könne durch Literatur die Menschen erziehen und die Welt verändern, habe die Geschichte der Literatur gründlich enttäuscht.

1986 legte er in seinem Gespräch mit Peter von Matt die hedonistische Grundlage seiner Bewertungspraxis offen. Peter von Matt bot ihm drei mögliche Antworten auf die Frage nach den Funktionen von Literatur an: „Literatur vermittelt Wahrheit, die Wahrheit über die Welt und die Menschen. Das ist die eine Möglichkeit, die philosophische. Literatur zeigt mir, wie ich leben soll und schreckt mich von dem falschen Weg ab. Das ist die zweite, die pädagogische Definition. Drittens: Literatur verschafft mir Lust und Vergnügen. Das ist die epikureische Definition. Sie verschafft mir Denkvergnügen, Spiellust, erotisches Vergnügen, Lust als Aggressionsabfuhr usw. Alle drei Möglichkeiten können sehr simpel oder sehr hoch entwickelt sein. Wahrheit, Erziehung oder Lust, wo liegt für Sie das Hauptgewicht?“ Reich-Ranicki antwortete: „Beim Vergnügen, bei der Lust. Ich entscheide mich also für die epikureische Definition.“

Zwei Arten von Argumenten sind in der literaturkritischen Praxis, nicht nur der Reich-Ranickis, besonders verbreitet und gehören zu den Mindestanforderungen an eine Werturteilsbegründung. Der Kritiker muss zum einen Merkmale und zum anderen Wirkungen eines literarischen Werkes (auf ihn selbst und vermutlich auch auf andere Leser) beschreiben, aufgrund derer er es positiv oder negativ bewertet. Und er versucht dabei die Frage zu beantworten, aufgrund welcher Merkmale der Text welche positiven oder negativen Wirkungen hervorruft. Als Marcel Reich-Ranicki beispielsweise 1984 den Roman „Der junge Mann“ von Botho Strauß negativ bewertete, begründete er dies zum einen mit dem Wirkungsargument, der Roman rufe bei der Lektüre Langeweile hervor. Diese Wirkung wiederum begründete er zum anderen mit Hinweisen auf Textmerkmale: „Warum? Weil uns der Autor des ‚Jungen Mannes' mit Zeichen, Sinnbildern und Symbolen, mit allegorischen Motiven, bizarren Visionen und mythologischen Anspielungen überhäuft, diesen Elementen aber Sinnlichkeit, Anschaulichkeit und Überzeugungskraft abgehen.“ (FAZ, 1.12.1984)

Reich-Ranickis Wirkungsargumente verwenden, soweit sie sich auf Unlustgefühle beim Lesen beziehen, mit Vorliebe Wörter wie „langweilen“ oder „ermüden“. „Peinlich“, „ärgerlich“ oder „quälend“ sind weitere Vokabeln der Abwertung, die er gerne benutzt. Bei Bernhards frühen Erzählungen kann der Kritiker nicht verschweigen, daß der Autor „häufig, wo er erschüttern will, nur noch ermüdet.“ Positiv werden Texte bewertet, die eine starke emotionale Wirkung bestimmter Art haben, die „aufschrecken“, „erschüttern“, die „unvergesslich“ bleiben.

Als Gründe für die Unlustgefühle zum Beispiel der Langeweile können unterschiedlichste Eigenschaften der Texte angeführt werden: zu viele Wiederholungen und Anhäufungen gleicher Motive, Klischees, umständliche Formulierungen, zu viele und noch dazu wenig intelligente Reflexionen.

Die so benannten Eigenschaften der Texte versucht Reich-Ranicki in der Regel mit exemplarischen Zitaten oder Paraphrasen zu belegen. In Alfred Anderschs „peinlichem“ Roman „Efraim“ jage ein „Klischee“ das andere. Das wird nicht nur behauptet, sondern sogleich mit Beispielen begründet: Der deutsche Verleger ist dort blond, der jüdische Journalist „von Unrast beherrscht“, der enttäuschte Kommunist hat ein „von Leiden ausgehöhltes Gesicht“. Und, so der Kritiker: „In Rom ist es trocken und sonnig, in London feucht grau und neblig.“

Die Grundbestandteile literaturkritischer Argumentation finden sich trotz der Umfangsbeschränkungen, die für Rezensionen gelten, in nahezu allen Artikeln von Reich-Ranicki. Sie erschöpfen sich nicht in bloßen Lust- oder Unlustbekundungen, sondern führen Gründe dafür an, die um das Einverständnis der Leser bemüht sind oder ihm Möglichkeiten geben, die Bewertung zurückzuweisen. Der Subjektivität und individuellen Willkür des Kritikers sind damit Grenzen gesetzt, doch bleiben Spielräume für persönliche Vorlieben.

Reich-Ranicki schätzte eine Literatur, die ihre Leser weder unter- noch überfordert. Sein kritisches Engagement galt dem „intelligenten, dem gehobenen Unterhaltungsroman“ . Für jene massenhaft verbreitete Unterhaltungsliteratur, die man auch als "Trivialliteratur" bezeichnet, hatte er kein Interesse. Ihr fehle der "doppelte Boden", ohne den bessere Literatur nicht auskomme: „Wenn einem Text die Zeichenhaftigkeit fehlt, dann ist es keine Literatur, der doppelte Boden muß vorhanden sein.“

Deutliche Vorlieben zeigte er auch hinsichtlich der literarischen Figuren und Stoffe. Wie Lessing bevorzugte er solche literarische Figuren, die ihm Möglichkeiten zur Identifikation bieten. Im „Literarischen Quartett“ erklärte er wiederholt: „Ich habe gerne intelligente Figuren, ich lese ungern Bücher über Doofköppe.“ (19. Oktober 2001) Oder: „Ich interessiere mich für Liebesgeschichten von Intellektuellen. Die Liebesgeschichten von Bauern können vielleicht auch sehr aufregend sein, aber das ist nicht ganz mein Fach.“ (10. Oktober 1991) In der Rezension zu Günter Grass' Roman „Das weite Feld“ heißt es: „Wer in den Mittelpunkt eines Romans einen dummen Menschen stellt, muß damit rechnen, daß dessen Dummheit sich ausbreitet und das Ganze infiziert.“ Auch an Kinder- oder Tierfiguren in der Literatur findet er in der Regel wenig Gefallen.

Im Zusammenhang mit seinen Vorlieben für erwachsene und intelligente Protagonisten standen seine literaturkritischen Berufungen auf den „gesunden Menschenverstand“, der in Deutschland bedauerlicherweise oft belächelt oder gar verachtet worden sei.

Reich-Ranickis aufklärerische Berufungen auf den „gesunden Menschenverstand“ erscheinen da besonders problematisch, wo die Hochschätzung des „Gesunden“ an diesem Verstand mit Abwertungen des „Kranken“ einhergeht. Dass er damit in bedenkliche Nähe sowohl nationalsozialistischer als auch sozialistischer Verdikte gegen kranke, „entartete“ oder „dekadente“ Kunst oder auch von Goethes berühmt-berüchtigten Urteilen über die „kranke“ Romantik gerate, hat man ihm wiederholt vorgeworfen – ohne zu sehen, worin sich seine Argumentationen und Vorlieben von solchen Verdikten grundlegend unterscheiden. Die Hochschätzung des "gesunden Menschenverstandes" verleitete ihn allerdings mehrfach dazu, auch über psychische Deformationen literarischer Figuren in Werken zu spotten, die er missbilligte. Dem altehrwürdigen, von der Poetik des Aristoteles formulierten und von der frühaufklärerischen Literaturkritik eines Gottsched neu vorgetragenen Postulat, dass die literarische Darstellung von Geschehnissen und Verhaltensweisen sich an Regeln der Wahrscheinlichkeit orientieren solle, zeigen sich viele seiner Wertungen verbunden. Literatur soll dieser Regel nach die Wirklichkeit zwar nicht nachbilden, aber das Geschehen doch so darstellen, wie es sich in der Wirklichkeit ereignen könnte. In der Kritik von Handkes Erzählung „Die linkshändige Frau“ zitiert Reich-Ranicki den Satz: „Bruno hatte den Arm um sie gelegt. Dann lief er weg und schlug einen Purzelbaum auf dem hartgefrorenen Rasen.“ Es folgt der Kommentar: „Ich fürchte, der Mann ist nicht ganz in Ordnung.“ In einer anderen Passage der Erzählung, in der Bruno auf der Straße von seiner Frau begleitet wird, steht der Satz: „Plötzlich blieb Bruno stehen und legte sich auf die Erde, mit dem Gesicht nach unten.“ Reich-Ranicki zitiert ihn und fügt hinzu: „Unter diesen Umständen scheint die Unterbringung Brunos in eine psychiatrischen Anstalt nötig, was freilich Handke zu vermerken unterlassen hat.“

Auch Reich-Ranickis Vergleiche der Kritikerrolle mit der des Arztes haben in diesem Zusammenhang etwas Bedenkliches. Es ist jedoch nicht zu übersehen, wie sehr er gerade auch solche Autoren und Texte schätzte, für die – wie schon bei dem von ihm bewunderten Thomas Mann – Themen und Motive der Krankheit konstitutiv sind: Hermann Burger, Thomas Bernhard und viele andere. In einem kleinen Portrait über Thomas Bernhard, das nicht lange Zeit nach dem Musil-Essay entstand, stehen die keineswegs abwertend, sondern respektvoll gemeinten Sätze: „Bernhards Arbeiten sind Berichte eines Leidtragenden, Konfessionen eines Besessenen. Und was immer er erzählt hat, sind Krankheitsgeschichten. Seine bohrende und hartnäckige Teilnahme galt den Gefährdeten und den Verlorenen, den Menschen, die vom Sog der Abgründe erfasst werden. Verbrecher und Wahnsinnige bevölkern seine Szene, Psychopathen und Neurastheniker, Mörder, Selbstmörder und Sterbende.“

Die von Reich-Ranicki geschätzten Autoren und literarischen Figuren sind keine starken, strahlenden und psychisch robusten Helden, wie sie der sozialistische Realismus forderte, sondern Leidende. Autoren haben uns, so wiederholte er oft, vor allem eines zu bieten: „ihre Leiden. Von ihnen sprechend, sprechen sie von unser aller Leiden“ und lassen uns mit unserem Leiden nicht allein. Das Leiden muss allerdings in ihren Figuren so dargestellt werden, dass es für andere verständlich und nachvollziehbar ist. Die literarische Figurendarstellung kritisierte Reich-Ranicki regelmäßig da, wo sie nicht lebendig wirkende Charaktere entwickelt, sondern künstlich und konstruiert erscheinende Ideenträger, wo sie „Marionetten“ hervorbringt, die dem Leser die Möglichkeit verweigern, sich mit ihnen zu identifizieren. An Grass' Roman „Örtlich betäubt“ bemängelte er, dass der Autor hier „statt Menschen“ lediglich „Schemen“ und „primitive Demonstrationsobjekte“ vorführe. Die Figuren in dem Roman „Ein weites Feld“ kritisierte Reich-Ranicki später ähnlich als bloße Konstrukte.

An Reich-Ranickis Kritiken zu Günter Grass lassen sich exemplarisch weitere Maßstäbe ausmachen, die seine Rezensionspraxis mehr oder weniger konsequent bestimmen. An beiden genannten Romanen bemängelt er, wie in vielen anderen Fällen, das Fehlen einer „Ganzheit“. „Früher habe ich es bedauert, daß Ihnen in Ihren Romanen (anders als in Ihren glänzenden Erzählungen ‚Katz und Maus' und ‚Das Treffen in Telgte') keine Ganzheit gelingen will, daß Sie meist nur Bilder, Szenen und Episoden aneinanderreihen. Jetzt bedauere ich, daß wir in dem ‚Weiten Feld' derartige in sich geschlossene Abschnitte vergeblich suchen.“ Der ästhetisch modernen Tendenz zur fragmentierenden Destruktion jener organischen Einheit und Ganzheit, die von der klassischen Ästhetik gefordert wurde, war Reich-Ranicki nicht bereit zu folgen. Seine Beobachtung, dass Autoren umfangreicher Romane heute selten die Fähigkeit haben, solche langen Texte überzeugend zu strukturieren, verleitete ihn dazu, auf ironisch überspitzte Weise Maßstäbe zu setzen wie im „Literarischen Quartett“ vom 14. Januar 1993: „Jeder Roman – bitte nicht ‚Zauberberg' und ‚Buddenbrooks'! –, der mehr als 500 Seiten umfasst, ist schlecht." Und als ob sich in der Literaturkritik das von Karl Popper beschriebene wissenschaftliche Verfahren von „Versuch und Irrtum“ nachahmen ließe, fügte er hinzu: „Bis zum Gegenbeweis werde ich das wiederholen. Kommt ein Roman von mehr als 500 Seiten und er wird gut sein, bin ich bereit, vor laufender Kamera auf die Knie zu fallen.“

An Normen der klassischen Ästhetik sind auch Reich-Ranickis Postulate der Schönheit, sinnlichen Anschaulichkeit und kontrollierten Distanz zu Affekten orientiert. Aus Schillers Rezension zu Bürgers Gedichten zitiert er in dem Verriss des 781 Seiten umfassenden Romans „Das weite Feld“ die Warnung, „mitten im Schmerz den Schmerz zu besingen“. Goethes Gedichtzeile „Bilde, Künstler, rede nicht!“ zitierte er gerne, wenn er an Romanen oder Erzählungen monierte, dass dort zu viel reflektiert wird und essayistische Passagen zu sehr dominieren. Dem Roman von Grass, in dem wenig geschieht und „Hunderte von Seiten mit Reflexionen und Mitteilungen, mit Diskussionen und Briefen“ angefüllt sind, sei es nicht gelungen, „Gedankliches ins Sinnliche zu übertragen, Geistiges also sichtbar und anschaulich zu machen.“ Was der Autor über das heutige Deutschland zu sagen habe, werde „nur behauptet und nicht erzählt, nur verkündet und nicht gezeigt.“

Reich-Ranickis Grass-Kritik ist neben einer ästhetischen zu weiten Teilen auch eine an politischen Maßstäben orientierte Kritik, und zwar in doppelter Hinsicht. Zum einen entspricht der Roman mit seinem politischen Engagement nicht Reich-Ranickis gewandelten Vorstellungen darüber, was Literatur leisten kann und soll. Aufgrund seiner politischen Interessen, so legt die Rezension nahe, versagt der Roman literarisch. Zum anderen entsprechen auch die politischen Inhalte des Romans nicht den Vorstellungen des Rezensenten: „Ich möchte nicht mit Ihnen über Ihre politischen Ansichten, die ich, verzeihen Sie, nicht immer ganz ernst nehmen kann, hier diskutieren. Es ist nicht meine Sache, Sie über die DDR zu belehren. Aber es ist mein Recht, mich zu wundern. Sie wissen so gut wie ich, daß das SED-Regime Millionen Menschen unglücklich gemacht, daß es Unzähligen, darunter, beispielsweise, unseren Kollegen Walter Kempowski und Erich Loest, Jahre ihres Lebens geraubt hat. Sie wissen, besser als ich, daß und wie die Literatur in diesem Land unterdrückt wurde. Sie wissen sehr wohl, daß die DDR ein schrecklicher Staat war, daß hier nichts zu beschönigen ist. Doch Ihr Roman kennt keine Wut und keine Bitterkeit, keinen Zorn und keine Empörung. Ich gebe zu, ich kann das nicht begreifen, es verschlägt mir den Atem.“

Schon Grass' Roman „Örtlich betäubt“ hatte Reich-Ranicki 1969 auch unter politischen Gesichtspunkten kritisiert, allerdings noch mit anderen Vorzeichen: „Nicht ohne Konsequenz wird von Grass die Protestbewegung infantilisiert und damit verniedlicht und bagatellisiert. So erscheint ein jedenfalls sehr ernstes politisches Phänomen unserer Zeit als eine etwas komische Revolte, die ihren Ursprung vor allem in Pubertätsnöten hat. Des Beifalls aller Spießer und Reaktionäre darf Grass – sosehr ihm davor graut – nun sicher sein.“

Ein genereller Vorbehalt gegenüber politischen Interessen der Literatur war 1969 bei Reich-Ranicki noch nicht zu vernehmen. Er zeigte sich erst in den siebziger Jahren. Die hymnische Besprechung von Martin Walsers Novelle „Ein fliehendes Pferd“ konstatierte am Ende zufrieden: „Martin Walser hat offenbar nicht mehr den Ehrgeiz, mit der Dichtung die Welt zu verändern. Er will nur ein Stück dieser Welt zeigen. Mehr sollte man von der Literatur nicht verlangen.“

TA

Mehr dazu bei Thomas Anz: Marcel Reich-Ranicki. München: dtv 2004 (dtv portrait).


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Rhetorik des Kritikers

Rhetorik ist die Kunst, mit Reden oder Schreiben beim Publikum optimale Wirkungen zu erzielen. Ob Reich-Ranicki mündlich oder schriftlich agierte, ein Rhetoriker war er durch und durch. Als er 1997 einen Vortrag über "Glanz und Elend der Redekunst" hielt, sprach er, ohne es ausdrücklich zu sagen, in eigener Sache. Der Vortrag erschien in dem Band "Vom Tag gefordert", einer Sammlung seiner "Reden in deutscher Angelegenheit". Von Literaturkritik ist hier nur beiläufig die Rede, doch ist sie zweifellos mit gemeint, wenn Reich-Ranicki die Rhetorik gegen ihre Verächter verteidigt – im Bewusstsein, dass sie oft missbraucht wurde.

Zu Reich-Ranickis Rhetorik gehörte die Polemik, also eine öffentliche Form aggressiver, streitlustiger, überspitzter, doch keineswegs argumentationsloser Kritik, die Lessing zu einem Instrument der Wahrheitsfindung aufgewertet hatte. „Jede Kritik, die es verdient, eine Kritik genannt zu werden, ist auch eine Polemik.“ Seit jeher gehört sie zum unentbehrlichen Repertoire des Kritikers. Lessing hatte es auf diesem Gebiet bereits zur Meisterschaft gebracht. Dabei schreckte er auch vor derben Ausdrücken und zornigen Angriffen nicht zurück, was ihm den Ruf „eine[s] oft unbarmherzigen und grausamen, ja mitunter nahezu sadistischen Polemiker[s]“ einbrachte.

Auch hier charakterisiert Reich-Ranicki mit Lessing unverkennbar sich selbst. Ein rhetorisches Stilmittel, das im polemischen Diskurs selten fehlt, ist die Übertreibung. Wie der von ihm so hoch geschätzte Thomas Bernhard im Bereich der Literatur, etablierte sich Reich-Ranicki in der Literaturkritik als prominentester Übertreibungskünstler. Die polemische Übertreibung – mit der Absicht zu überzeugen, nicht zu überreden! – soll zur Deutlichkeit beitragen und damit Reaktionen provozieren. Den grammatischen Superlativ verwendete Reich-Ranicki zwar in negativen Urteilen selten, doch starke Attribute wie primitiv, albern, läppisch, peinlich, dürftig oder plump waren ihm ebenso geläufig wie die Substantive Unsinn, Lappalien, Blödeleien, „kaum noch zu überbietende Albernheit“ oder – im Wechsel der Stilhöhe – auch „Mumpitz“ und dergleichen.

Im letzten seiner „Briefe antiquarischen Inhalts“ erklärte Lessing, dass „jeder Tadel, jeder Spott“ dem Kritiker erlaubt sei und ihm niemand vorschreiben könne, „wie sanft oder wie hart, wie lieblich oder wie bitter, er die Ausdrücke eines solchen Tadels oder Spottes wählen soll. Er muß wissen, welche Wirkung er damit hervorbringen will, und es ist notwendig, dass er seine Worte nach dieser Wirkung abwäget.“ Die rhetorische Kunst, mit Worten starke Wirkungen zu erzielen, beherrschte Reich-Ranicki wie kein anderer Kritiker der Gegenwart. Wer seine Publikationen nach rhetorischen Stilfiguren und anderen Techniken der Erregung und Bindung von Aufmerksamkeit durchsucht, wird auf Schritt und Tritt fündig. Die rhetorischen Regeln belehrender Argumentation (docere) sind ihm ebenso geläufig wie die Mittel der Affekterregung (movere) und die Künste, das Publikum zu vergnügen (delectare). „Ein belangloser, ein schlechter, ein miserabler Roman. Es lohnt sich nicht, auch nur ein Kapitel, auch nur eine einzige Seite dieses Buches zu lesen.“. So steigert sich die Kette der abwertenden Wörter (Klimax) im Verriss von Walsers Roman „Jenseits der Liebe“. Die Figuren der Alliteration, Antithese und Häufung kombiniert das Urteil über den Roman „Örtlich betäubt“ von Günter Grass: „Was einst drall und deftig war, ist jetzt dürr und dürftig.“

Dass der Roman durchaus vorzügliche Sätze und Passagen enthalte, wird mit einer Metapher veranschaulicht – mit dem Hinweis, „in seinem verdorbenen Teig seien immerhin einige Rosinen enthalten.“ Das auf Anschaulichkeit bedachte Schreiben und Sprechen in Bildern gehört zu Reich-Ranickis stilistischen Eigenheiten. Als 1967 Martin Walsers Stück „Die Zimmerschlacht“ in München von Fritz Kortner inszeniert wurde, verglich er den Text mit einer Leiche und die Inszenierung mit einem Mord. Es habe, so der Kritiker, „in Anwesenheit vieler illustrer Trauergäste ein Leichenbegängnis erster Klasse stattgefunden. Zu klären bleibt, ob hier das Stück [...] systematisch ermordet wurde oder ob man nur eine Leiche auf die Bühne gezerrt hat.“ Robert Musils „Mann ohne Eigenschaften“ gleiche „einer Wüste mit schönen Oasen“. Die „Wanderung von einer Oase zur nächsten“ sei „bisweilen qualvoll“. .

Die Anschaulichkeit und Spannung, die sich Reich-Ranicki von guter Literatur erhofft, versuchte er in seinen literaturkritischen Texten selbst zu bieten. Statt Behauptungen zu präsentieren, stellte er gerne Fragen, die den Leser auf die Antwort gespannt machen. Oft sind seine Sätze oder Absätze so gebaut, dass wichtige Informationen oder Pointen erst am Ende stehen.

Einer Spannungsdramaturgie folgt der ganze Aufbau seiner literaturkritischen Text. Die Rezensionen enthalten in der Regel ein festes Repertoire an Bestandteilen: Informationen über die bisherigen Leistungen, Erfolge oder Misserfolge des Autors verbinden sich mit der Frage, inwieweit das neue Buch daran anknüpft. Hinweise zu den literaturkritischen Reaktionen auf vergangene Werke oder auf das neue Werk geben den Anlass, diese zu überprüfen. Relativ knapp gehaltene Angaben zu Inhalt, Thema, Handlung, formale und stilistische Eigenarten des neuen Buches sind verknüpft mit Ansätzen zu einer Interpretation. Entschiedene Bewertungen des Buches, oft in Form von Hinweisen zur emotionalen Wirkung auf den Rezensenten, verbinden sich mit Begründungen des Werturteils durch Zitate oder mit Hinweisen auf exemplarische Einzelheiten des Textes. Bei entschiedenen Verrissen weist der Rezensent ziemlich regelmäßig auf gelungene Passagen hin, die zeigen, was der Autor hätte leisten können, und demonstrieren, dass auch eine Polemik sich den Qualitäten des Autors nicht gänzlich verschließt und zu Differenzierungen fähig bleibt. Nicht alle Hinweise dieser Art sind so vernichtend wie in der Rezension zu Günter Grass' „Ein weites Feld“, die mit den Sätzen endet: „Aber daß ich es nicht vergesse. Da gibt es in Ihrem Buch eine Episode, die völlig aus dem Rahmen fällt. Sie schildern ein Treffen mit Uwe Johnson. Sie schildern es wunderbar. Das kann keiner besser als Sie. Aber es sind nur fünf Seiten von 781.“ Freundlicher endet da eine Rezension von 1968 über Hans Erich Nossacks Roman „Der Fall d'Arthez“: „Kurz und gut: Ich bin gegen Erich Nossacks Roman, aber diese Abschnitte werde ich nicht so bald vergessen.“

Ein mögliches Spannungselement von Rezensionen besteht darin, den Leser auf das Werturteil warten zu lassen. Reich-Ranicki benutzte es selten. Zur Rhetorik seiner Rezensionspraxis gehörte vielmehr, die Rezension mit einem entschiedenen Urteil zu eröffnen und die Spannung darauf zu lenken, wie das Urteil begründet wird. „Um mit dem Fazit zu beginnen: Ich bin gegen Nossacks neuen Roman, dieser ‚Der Fall d'Arthez' missfällt mir entschieden.“ Die Rezension zu dem Roman von Grass beginnt so: „Mein lieber Günter Grass, es gehöre ‚zu den schwierigsten und peinlichsten Aufgaben des Métiers' – meinte Fontane –, ‚oft auch Berühmtheiten, ja, was schlimmer ist, auch solchen, die einem selber als Größen und Berühmtheiten gelten, unwillkommene Sachen sagen zu müssen'. Aber – fuhr er fort – ‚schlecht ist schlecht, und es muß gesagt werden. Hinterher können dann andere mit den Erklärungen und Milderungen kommen'. Das ist, ziemlich genau, meine Situation. Ich halte Sie für einen außerordentlichen Schriftsteller, mehr noch: Ich bewundere Sie – nach wie vor. Doch muß ich sagen, was ich nicht verheimlichen kann: daß ich Ihren Roman ‚Ein weites Feld' ganz und gar mißraten finde.“

Wie bei einem Roman so entscheiden bei einer Rezension oft die ersten Sätze darüber, ob es dem Text gelingt, die Aufmerksamkeit des Lesers so zu fesseln, dass er bereit ist, die Lektüre fortzusetzen. „Dieses Buch beginnt mit einer Unwahrheit“, so beginnt die Rezension zu Martin Walsers „Liebeserklärungen“. Was Reich-Ranicki 1967 gleich zu Beginn seiner Rezension zum Roman „Hundejahre“ über Grass schrieb, gilt auch für den Autor literaturkritischer Texte: „Natürlich weiß ein so exakt arbeitender Schriftsteller, ein so sorgfältig kalkulierender Artist wie Günter Grass, welch außerordentliche Bedeutung gerade dem Einstieg zukommt – den ersten Zeilen eines Romans oder einer Erzählung.“ Grass versuche, „die Aufmerksamkeit des Lesers sogleich auf den Kern des jeweiligen Werks zu lenken“. Eben dies versuchte auch Reich-Ranicki als Autor von Rezensionen, Essays und auch seiner Autobiografie. Reich-Ranicki weist den Anspruch Alfred Kerrs, dass Kritik selbst Literatur sei, zwar zurück. Und mehr noch das Ansinnen, dass der Kritiker im Zweifelsfall beweisen müsse, dass er selbst das von ihm kritisierte Werk hätte besser schreiben können. Man müsse schließlich nicht Koch sein, um zu bemerken, dass die Suppe versalzen sei. Doch sind seine Rezensionen und Essays durchaus Vorführungen von Qualitäten, die er sich auch von Autoren literarischer Texte wünscht: Publikumsnähe, Anschaulichkeit, Prägnanz, Witz, Spannung oder auch kompositorische Geschlossenheit.

TA

Mehr dazu bei Thomas Anz: Marcel Reich-Ranicki. München: dtv 2004 (dtv portrait).

 

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Reich-Ranicki und die ‚Erotik'

Die Autobiographie „Mein Leben“ vermittelt den Eindruck, dass ihr Autor ein – auch angesichts seiner Generationszugehörigkeit – erstaunlich unbefangenes Verhältnis zur Sexualität hat; allenfalls mag verwundern, wie demonstrativ unbefangen er es zum Ausdruck bringt. Das Bekenntnis zur Sinnlichkeit wurde zu einem von Reich-Ranicki gepflegten Markenzeichen seiner selbst; die Medien halfen ihm dabei, sich als erfahrenen homme à femmes in Szene zu setzen, der vor Jüngeren mit seiner sexuellen Unersättlichkeit und Unwiderstehlichkeit kokettierte: „Lieber, ich will Ihnen ein Geheimnis verraten: Sie können nicht mit jeder Frau dieser Welt schlafen. (Pause) Hören Sie zu, ich bin noch nicht fertig: Das ist nämlich noch lange kein Grund, es nicht wenigstens zu versuchen.“ Durch Ratschläge dieser Art hatte es der „deutsche Literaturkritiker polnischer Herkunft“ es zum Spezialisten in Frauenfragen gebracht – um den Preis, in einschlägigen Blütensammlungen neben Altmeistern des Genres wie Giorgio Armani und Jürgen Drews zu firmieren (http://home.t-online.de/home/djMega.Muuh/frauenweisheiten.htm).

Was biographisch zuzutreffen scheint, gilt auch literarästhetisch: Für Reich-Ranicki gehört Erotik zu den wichtigsten Themen der Literatur. Erst jüngst erfuhr „Das sterbende Tier“, der letzte und im übrigen eher schwache Roman des amerikanischen Bestseller-Autors Philip Roth, Reich-Ranickis höchste Anerkennung, gerade wegen der vitalen Darstellung von männlichem Begehren und einer bis ins relativ hohe Alter des Protagonisten ausgelebten erfüllten Sexualität mit durchweg sehr viel jüngeren Frauen (FAZ). Der weibliche Körper ist als Klischee sexueller Attraktivität bei Roth allerdings derart präsent, dass andere Kritiker den Roman als Dokument der Sexbesessenheit eines alten Mannes lasen und unterstellten, das Buch finde bei den Kritikern Beifall, die mit dem Autor und Protagonisten Geschlecht und Alter teilen (so mit deutlichem Seitenhieb auf Reich-Ranicki Peter Mohr https://literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=5767).

Das Bekenntnis zum Vergnügen an oder auch zum Genuss von erotischer Literatur verschaffte Reich-Ranicki wie viele andere seiner dezidiert anti-akademischen Wertungsmaßstäbe Sympathie in weiten Leserkreisen, und es erhöhte das Interesse der Medien an seiner Person, gerade weil Sexualität als Sujet und Erfahrung Literarisches und Lebensweltliches zu versöhnen scheint. Von Reinhold Beckmann in dessen Talkshow befragt, wie deftig die Sprache der Erotik aus seiner Sicht sein dürfe, antwortete Reich-Ranicki denn auch erwartungsgemäß: „So deftig, wie sie will, wenn sie kann! Alles hängt von der Fähigkeit des Schriftstellers ab.“ (http://www.daserste.de/beckmann/archiv_st.asp?datum=09.07.01#Reich-Ranicki)

Während das breite Publikum sich an der vorgeblichen Tabulosigkeit des ersten Satzes erfreute, lag für Literatur und Literaturwissenschaft im zweiten Satz die eigentliche Provokation. Die „Fähigkeit des Schriftstellers“ nämlich bemaß Reich-Ranicki durchaus nicht, wie behauptet, an der Deftigkeit von Sexualitätsbeschreibung, sondern an einem positiven Klischee von Handfestigkeit. Das Credo galt der Deftigkeit des sauberen, harmonischen, befriedigenden Sex.

Das „Literarische Quartett“ hatte denn auch unter der Ägide von Reich-Ranicki, mit Schützenhilfe von Hellmut Karasek und unter zumindest zeitweisem Protest von Sigrid Löffler einem Subgenre zur medialen Existenz und Popularität verholfen, das es zuvor so nicht gab: die so genannte „erotische Literatur von Frauen“. Mit diesen formal konventionellen Erzähltexten, bei deren Bewertung und Vermarktung in eigentümlicher Weise biologische Autorschaft und fiktionale Sexualität verquickt werden, verbindet sich der Anspruch auf Originalität, zumindest auf Andersartigkeit bei der Darstellung von Sexualität aus nunmehr 'weiblicher Sicht'. Jungen Autorinnen wie Julia Franck oder Judith Hermann hat das Etikett zu ihren Erstlingserfolgen verholfen; ältere Schriftstellerinnen wie Monika Maron wurden erst einem größeren Publikum bekannt, als Reich-Ranicki ihren Roman „Animal triste“ als „hocherotisches Buch von einer außerordentlichen Intensität“ lobte („Der Spiegel“); die DDR-Autorin Brigitte Reimann wurde im Osten wieder- und im Westen überhaupt erst entdeckt, als Reich-Ranicki ihren Tagebüchern im „Quartett“ eine stets gegenwärtige „Sehnsucht nach Liebe“, „Sinnlichkeit“ und „Intensität“ bescheinigte (http://www.nadir.org/nadir/periodika/jungle_world/_2001/18/26a.htm); die Werke der israelischen Schriftstellerin Zeruya Shalev wurden in Deutschland schlagartig zu Verkaufserfolgen, nachdem Reich-Ranicki ihr „Liebesleben“ als erotischen Frauenroman charakterisiert hatte. Das Urteil „erotisch“, mehr noch die mehrversprechende Steigerung „hocherotisch“, konnte nun als das Beste gelten, was einer Autorin in der deutschen Literaturkritik zugesprochen wurde. Und das ließ sich nicht auf den simplen alten Nenner „sex sells“ bringen. Denn das Thema Sexualität allein garantierte Reich-Ranickis Wohlwollen noch nicht, auch nicht, wenn es eine Autorin war, die sich ihm zuwendete und den „weiblichen Blick“ auf Sexus versprach. Im Gegenteil.

Am 10. März 1989, bei der Besprechung von Elfriede Jelineks kurz zuvor erschienenem Roman „Lust“, beklagte Reich-Ranicki im „Literarischen Quartett“, dass „diese Frau [gemeint ist Jelinek] ein Buch geschrieben hat, wo die Sexualität unentwegt mit äußerster Kraft denunziert wird als das Widerlichste auf Erden“. (http://homepages.compuserve.de/WunderlichDieter/literarisches_quartett.htm) Der Kritiker zieh Buch und Autorin der Geschmacklosigkeit; dass er unter dieser Geschmacklosigkeit litt, bezeugte sein Zartgefühl; dass er glaubte, „die Sexualität“ vor einer Verunglimpfung durch Elfriede Jelinek in Schutz nehmen zu müssen, bewies Engagement in quasi eigener Sache. Reich-Ranicki verteidigte ein Verständnis von Sexualität als einer rein positiven, vitalen, erfreulichen und zutiefst humanen Erfahrung, und er wollte vorschreiben, dass die Darstellung von Sexualität diese Erfreulichkeit und den humanen Charakter des Aktes widerspiegeln soll: „Deftig“ darf es zugehen – aber Ekel und Widerwillen darf der Leser nicht empfinden.

Die Ablehnung von Jelineks Roman hatte System. Sie verwies auf das unausgesprochene Programm einer konventionellen 'sexual correctness', die keinem wehtut. Ihre Tabus gelten den anarchischen, ekelhaften und zerstörerischen Aspekten des Sexus, genauer: deren Darstellung. Liest man Ranickis Verurteilung von Jelineks „Lust“ genau – und gegen den Strich – wird nämlich deutlich, dass es letztlich nicht um die Sache geht, sondern darum, wie und von wem sie ausgesprochen wird. Denn was unterschwellig empört, scheint die Tatsache, dass hier eine Frau spricht. Der Vorwurf, dass die Autorin Sexualität als widerlich „denunziert“, besagt ja nicht, dass die Darstellung negativer Aspekte der Sexualität sachlich falsch wäre, sondern dass niedere Beweggründe zu dieser Darstellung motivieren. Als unangemessen und moralisch angreifbar verurteilt wird demnach der literarische Sprechakt Jelineks, der Sexualität desavouiert.

Damit bewegt sich die Kritik nicht länger im Bereich der ästhetischen Verstöße, sondern im Bereich der moralischen Überzeugungen und rührt an Glaubensfragen. Das wenigstens legte Marlene Streeruwitz’ feministisch-ideologiekritische Einschätzung von Reich-Ranickis Position nahe. Die österreichische Schriftstellerin kam in ihrem „Tagebuch der Gegenwart“ (2002) zu dem Schluss, Reich-Ranicki „glaubt die Erotik, die da [in der Belletristik, A.P.] behauptet werden kann. Unter Auslassung aller hinderlichen Realitäten.“ Ihre Diagnose destruiert das Erotik-Verständnis des Kritikers als belletristische Version einer patriarchalen Ideologie. In deren Kontext sei 'Erotik' eine realitätsferne Simulation. Sie werde als authentisch und wirklich hingestellt, nicht zuletzt in den Medien der Kunst, und diene damit der Verschleierung von Macht- und Abhängigkeitsverhältnissen zwischen den Geschlechtern – nicht ausschließlich, aber vor allem zu Lasten der Frauen. Deren Part bestehe darin, die „hinderlichen Realitäten“ des Sexuellen (etwa auch dessen schmerzhafte körperliche Erfahrung) stillschweigend auf sich zu nehmen, um die Überformung von sexueller weiblicher Realität zur männlichen Fiktion 'Erotik' zu ermöglichen.

In der Auseinandersetzung um die Realität von Sexualität und die Simulation von 'Erotik' gewinnt der Körper – gegen die Tendenz der Gender-Theorien – Autorität zurück. Er wird erneut Ausgangspunkt der Reflexion auf die Erkenntnisfähigkeit des Subjekts. Dessen sexuelle Identität erscheint nicht länger nur als soziales Konstrukt, sondern als Summe der Erfahrungen des biologischen Geschlechts. Ganz in diesem Sinne inszenierte das „Literarische Quartett“ sein Ende im Sommer 2000 als so genannte „Erotik-Debatte“. Unter dem Vorwand, über den literarischen Wert eines japanischen Romans zu streiten, rangen Marcel Reich-Ranicki und Sigrid Löffler coram publico um die Definitionsmacht des Erotischen. Haruki Murakamis Roman „Gefährliche Geliebte“, der hierzu den Anlass gab, bietet Textpassagen, die Reich-Ranicki als hocherotisch, Löffler hingegen als sprachlich vulgär empfand. Der Dumont-Verlag reagierte darauf und auf die sich anschließende Diskussion um die Übersetzung, indem er Murakamis Bücher nicht länger über die Zwischenstufe des Amerikanischen, sondern nunmehr unmittelbar aus dem Japanischen übertragen ließ. Reich-Ranicki reagierte auf den Dissens, indem er Rückschlüsse auf Löfflers Erotik-Verständnis zog. Lebensweltliche.

Alexandra Pontzen


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Bücher von und über Reich-Ranicki

Über Literaturkritik

Über Literaturkritik. Stuttgart, München: DVA 2002. 80 Seiten, € 9,90
ISBN 3-421-05675-7

Kritik als Beruf. Drei Gespräche und ein kritisches Intermezzo. Hg. von Peter Laemmle. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag 2002.
136 Seiten, € 8,90
ISBN 3-596-15577-0

Die Anwälte der Literatur. München: dtv 1996. 360 Seiten, € 11
ISBN 3-423-12185-8

Peter von Matt / Marcel Reich-Ranicki: Der doppelte Boden. Ein Gespräch über Literatur und Kritik. Hg. von Thomas Anz
Marburg an der Lahn: Verlag LiteraturWissenschaft.de 2017
244 S., 16,00 EUR
ISBN 978-3-936134-57-5
(zuerst: Marcel Reich-Ranicki: Der doppelte Boden. Gespräch mit Peter von Matt. Zürich: Ammann Verlag 1992. 236 Seiten)

Literaturkritische Praxis

Lauter Verrisse. Mit einem einleitenden Essay. München: dtv 1992.
203 Seiten, € 8,44
ISBN 3-423-11578-5

Lauter Lobreden. München: dtv 1993. 207 Seiten, € 8,50
ISBN 3-423-11618-8

Sieben Wegbereiter. Stuttgart, München: DVA 2002.
298 Seiten, € 19,90
ISBN 3-421-05514-9

Pro und contra in literaturkritik.de: Oliver Pfohlmann und Gert Ueding

Über den Literaturkritiker

Thomas Anz: Marcel Reich-Ranicki. München: dtv 2004 (dtv portrait). - Hier vor allem das Kapitel "Kritik als Beruf", S. 106-155.

Elke Hussel: Marcel Reich Ranicki und `Das Literarische Quartett` im Lichte der Systemtheorie.
Marburg: Tectum Verlag 2000. 84 Seiten, € 25,90
ISBN: 3-8288-8166-1

Die Fragen, denen sich die Arbeit stellt, heißen: Nach welchen Prinzipien funktioniert Literaturkritik? Und in Luhmann'scher Manier: Welche Anschlussoperationen werden durch das "Literarische Quartett" erhalten? (Gustav Mechlenburg in literaturkritik.de, Februar 2002)

Volker Hage / Mathias Schreiber: Marcel Reich-Ranicki. Ein biographisches Portrait. München: dtv 1997. 265 Seiten, € 10,17
ISBN: 3-423-12426-1

Betrifft Literatur. Über Marcel Reich-Ranicki. Hrsg. von Peter Wapnewski. München: dtv 1995. 306 Seiten, € 7,62
ISBN: 3-423-12016-9

Czernin, Franz Josef: Marcel Reich-Ranicki. Eine Kritik. Göttingen 1995
(im Internet veröffentlicht unter: http://thing.at/ejournal/Kritik/czernin/index.html)

Helling, Reinhard: Sozio-biographische Studie über den Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki und sein publizistisches Wirken in der Bundesrepublik Deutschland 1958 bis 1992. Hamburg 1993 (Diplomarbeit, Manuskript). [eine digitale Kopie der umfassenden Diplomarbeit ist seit Januar 2011 auf der Web-Seite des Verlags LiteraturWissenschaft.de kostenlos zugänglich.]

Zur Literaturkritik allgemein

Siehe das Informationssystem "Literaturkritik in Deutschland" und dort die Bibliographie.

Wolfgang Albrecht: Literaturkritik.
Stuttgart, Weimar: J.B. Metzler 2001. 210 Seiten, 12,90 EUR.

Stefan Neuhaus: Literaturkritik. Eine Einführung. Göttingen 2004 (UTB 2482)

Thomas Anz / Rainer Baasner (Hg.): Literaturkritik. Geschichte - Theorie - Praxis. 5. Aufl. München: Beck 2007.

KarriereGruppe 47Bei der FAZBachmann-PreisFunk & FernsehenÜber KritikKritische PraxisKriterienRhetorikErotikBücher

Mitarbeit: Gesa Steinbrink

Stand: 8.1.2011 / zuletzt ergänzt am 19.3.2016 und in den Tempora sowie Verlinkungen aktualisiert am 9.9.2017

 

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